Consultative Selling ist ein Auslaufmodell

Consultative Selling und ihre Verwandten wie SPIN Selling oder Solution Selling sind Varianten der Bedarfsverkaufs-Systeme der 60er-Jahre. Diese wiederum wenden Modelle und Methoden an, die aus einfachen Verkäufen mit preisgüns-tigen Produkten entwickelt wurden. Mitte der 20er-Jahre führte E.K. Strong bahn-brechende Studien von einfachen Verkäufen durch, die neue Ideen wie Merkmale und Nutzen, Abschlusstechniken, Methoden zur Einwandsbehandlung, sowie offene und geschlossene Fragen einführten. Seit mehr als 80 Jahren werden diese Konzepte imitiert, angepasst und verfeinert, und zwar unter der Annahme, dass sie für alle Verkäufe gelten.

Sind diese Verkaufskonzepte in der heutigen Zeit der immer stärker steigenden Komplexität, der eskalierenden Kundenerwartungen, der populären Commodifika-tion und des harten Wettbewerbs noch geeignet, ihren Zweck zu erfüllen?

Der Beratungsverkauf ist seit über vier Jahrzehnten in Mode – und das mit gutem Grund. Die Mehrzahl der Verkäufer sind der Ansicht, dass potenzielle Kunden zu finden, die ihre Produkte und Dienstleistungen brauchen und sie dann zum Kauf zu überzeugen, eine geeignete Verkaufsstrategie ist. Auf den ersten Blick scheint die Taktik, als Berater aufzutreten, wirklich die beste Art zu sein, den Verkaufsprozess zu initiieren. Ich habe seit Jahren keine Visitenkarte mehr gesehen, auf der als Funktion „Verkäufer“ stand. Wer will das schon sein, und damit der gleichen Gilde angehören wie die Occasionsauto-Verkäufer?

Das opulente Informationsangebot, nicht zuletzt auch das Internet, hat die Märkte für praktisch jedes Produkt und jede Dienstleistung radikal verändert. Sie hat die Kunden wesentlich sachkundiger, skeptischer und verkaufsresistenter gemacht, als dies noch vor zehn Jahren der Fall war.

Kaum jemand lässt sich mehr von „Kundenberater“ hinters Licht führen. Die Kunden sind es leid und reagieren genervt, wenn ihnen der Verkäufer „nur schnell ein paar Fragen stellen will, damit er ihnen helfen kann.“ Sie haben zahlreiche „Brain-Vollwaschgänge“ (Verkaufspräsentationen) erduldet, die das Interesse und die Begierde wecken sollten. Verkäufer, die als Berater auftreten, verschleiern ihre wahre Absicht.

Potenzielle Kunden wollen keinen „neuen Freund“. Ob sie den Verkäufer wirklich mögen oder nicht, kümmert sie vorerst nicht. Verzweifelte Versuche, Rapport herzustellen oder „eine Beziehung aufzubauen“, enden meist, bevor sie richtig begonnen haben.

Die Kunden erwarten nicht, dass sie die „beste Lösungsmöglichkeit“ kaufen, um ihren Bedarf zu decken. Sie wollen nur eine zufriedenstellende Lösung, auf die sie sich vollumfänglich verlassen können und die ihrem Zwecke dient. Deshalb wollen sie es mit einem Verkäufer zu tun haben, dem sie vertrauen und den sie respektieren können. Und einer, der auch ihnen vertraut und sie respektiert. Sie vertrauen und respektieren keinen Leuten, die versuchen etwas zu sein, was sie nicht sind. Vertrauen und Respekt ohne Authentizität funktioniert nicht.

Es weht langsam ein neuer Wind im Markt. Noch kaum spürbar zwar, doch er ist da. Immer mehr Verkäufer aus den unterschiedlichsten Branchen begreifen, dass die Zeit des „Überzeugens“ und der Manipulation, besser bekannt als Verkaufs-psychologie, zu Ende ist.

Diese neue Verkäufergeneration ist in der Lage, zusammen mit dem Kunden das Problem zu analysieren. Welches sind die Kosten, die dieses Problem verursacht?

Es geht darum, die Konsequenzen der Absenz einer Lösung zu bestimmen. Denn ein Problem ohne Kosten ist kein Problem! Das tun sie ruhig und überlegt und ver-zichten auf jeglichen Druck. Nicht durch die Geschichten, die sie erzählen, gewinn-en sie Vertrauen und Glaubwürdigkeit, sondern durch ihre Fragen und ihr Zuhören. Sie wissen, dass der Kunde den Kaufentscheid in der Diagnosephase fällt!

Und sollte ein Kunde jetzt noch nicht bereit sein, das Problem anzugehen, so wird dieses Nein vorbehaltlos akzeptiert. Das Projekt gelangt „auf die lange Bank“ und der Verkäufer wendet sich einem nächsten aussichtsreichen Kunden zu.