Partner? Gegner? Oder was?

Was bewegt die „andere Seite“? Wie werden Einkäufer geschult? Was bringt man ihnen in Bezug auf Gesprächstaktiken mit Verkäufern bei? Wie sehen uns die Einkäufer? Als Partner, oder als Gegner, den es zu schlagen gilt?

Lassen Sie uns für einmal die Seiten wechseln. Der Newsletter „EINKAUF HEUTE“ (www.ekalog.de) greift in seiner neuesten Ausgabe diese Themen auf. Das Wort hat die Chefredakteurin, Bettina Steffen:

Im Einkauf liegt der Gewinn – diese uralte Kaufmannsweisheit hat in diesen Zeiten eine ganz besondere Bedeutung. Denn selbst bei erfolgsverwöhnten Unternehmen geniessen Sparsamkeit und Kostensenkung hohe Priorität. Der Druck auf die Einkäufer wächst. Einer Studie zufolge haben sich die Anforderungen im Einkauf im vergangenen Jahr für die Mehrheit (85,9%) der Befragten erhöht. Und ein Grossteil (84,5%) geht davon aus, dass sich die Bedeutung der Einkaufsabteilung in den kommenden zwei Jahren noch weiter erhöhen wird.

Vergessen Sie dabei nicht, dass auch Verkäufer und Lieferanten in diesen Tagen unter einem hohen Erfolgsdruck stehen. Bei Verhandlungen müssen Sie stets im Auge behalten, dass Ihr Gesprächspartner natürlich auch das Beste für das eigene Unternehmen herausholen will. Welche Tricks Verkäufer besonders gerne bei Verhandlungen am Telefon einsetzen, lesen Sie heute im ersten Beitrag.

Mischen Sie Bekanntes mit Unbekanntem. Ihre Partner werden verblüfft sein und Ihnen mehr Erfolge bringen. In jedem Kommunikations-Seminar fallen die Sätze garantiert schon in der ersten halbe Stunde: „Übernehmen Sie die Gesprächs-führung, in dem Sie offene Fragen stellen!“ Grundsätzlich falsch ist diese Aussage nicht, grundsätzlich neu aber auch nicht. Es kennt sie halt jeder und jeder versucht es mit dem gleichen Trick.

Nicht nur wer redet und fragt, führt, sondern auch wer schweigt. Denn Schweigen verunsichert und drängt den Gegner zwangsläufig in die Defensive – und zum Reden! Nutzen Sie selbstbewusst und konsequent dieses psychologische Phänomen. Verunsichern Sie ganz bewusst, um Ihre Preise und Vertragskondi-tionen durchzusetzen.

Lassen Sie den Verkäufer zappeln. Er wird so zu Zugeständnissen bereit sein, die Sie nie für möglich gehalten hätten. Beachten Sie: Zum Schweigen gehört allerdings eine gehörige Portion Kaltblütigkeit. Gerade am Telefon, wo Ihr Verhandlungspartner nichts anderes hat als Ihre Stimme. Da sind 8 bis 10 Sekunden Stille schon eine Tortur. Überstrapazieren sollten Sie diese Taktik nicht. Sie wollen den Verkäufer ja bei Laune halten.

Praxis-Tipp: Ermuntern Sie ihn nach 5 Sekunden Schweigen mit: „Und weiter?“ oder „Ich würde gern mehr von Ihnen hören“.

Schweigen allein reicht natürlich nicht, um am Telefon erfolgreich zu sein. Schweigen ist ein strategisches Moment, nicht mehr. Die Ursuppe der mensch-lichen Kommunikation sind Fragen. Ohne sie lernt das Kind nicht, wie der neue Nachbarsjunge heisst, und der Einkäufer nicht, wann sein Zulieferer endlich gescheite Qualität liefert.

Wie wichtig Fragen für die menschliche Kommunikation sind, zeigen schon die festen Wendungen in vielen Sprachen, etwa im Französischen mit „Est-ce que …?“

Praxis-Tipp: Bei vielen Menschen landet die Frage nach dem Warum regelmässig im falschen Hals. Sie fühlen sich zu Erklärungen genötigt oder gar kritisiert. Gehen Sie also bedacht mit Warum-Fragen um.

Verkäufer werden geradezu darauf getrimmt, offene Fragen zu stellen, um den Gesprächsfluss in Gang zu halten. Besonders beliebt sind bei Ihnen:

  • Echofragen: Um Zeit zum Überlegen zu gewinnen (z. B. wenn Sie einen Verkäufer in die Enge getrieben haben), antworten sie auf Ihre Frage: „Können Sie nächste Woche liefern?“, mit einer Gegenfrage: „Ob wir in der nächsten Woche liefern können?“
  • Alternativ-Fragen: Wird der Verkäufer ungeduldig, weil Sie sich nicht sofort auf seine Angebote einlassen, versucht er heimlich, Druck auf Sie auszuüben: „Wir können in der 23. Kalenderwoche liefern oder in der 24., Herr Faber. Welcher Termin passt Ihnen besser?“
  • Suggestiv-Fragen: An der Druckschraube wird auch mit so genannten Suggestivfragen gedreht. Hier kann die Skala bis hin zur Unterstellung reichen: „Unser neuer Laserschneider ist doch sicher auch etwas für Sie, Herr Faber. Oder soll die Konkurrenz an Ihnen vorbeiziehen?“

Beachten Sie: Haben Sie das Gefühl, ausgehorcht zu werden, blocken Sie sofort ab und bringen Sie das Gespräch auf die Sachebene zurück.

Spüren Verkäufer Widerstand, versuchen sie nur zu gern, Ihnen ein X für ein U vorzumachen. D. h., sie drehen einen negativen Sachverhalt mit einer positiven Formulierung in sein Gegenteil um. Statt klipp und klar zu sagen: „Tut mir Leid, wir können bis Freitag nicht liefern“, spülen sie den Einwand windelweich und sagen stattdessen „Montagmittag steht alles fein säuberlich auf Ihrem Hof. Bis dahin haben Sie genügend Zeit, in Ihrem Unternehmen alles für die Lieferung vorzu-bereiten.“

Um Ihren Einwänden den Wind aus den Segeln zu nehmen, benutzen Verkäufer auch gern Floskeln wie:

  • „Gut, dass Sie mich drauf aufmerksam machen …“
  • „Oh, Frau Müller, das ist ein interessanter Einwand …“
  • „Ich verstehe Sie sehr gut …“

Ob direkt oder am Telefon: Einkaufsverhandlungen sind nicht dazu da, miteinander Süssholz zu raspeln. Der Verkäufer ist zwar Ihr Partner, aber nicht Ihr Freund.

Verhandeln ist immer ein bisschen wie Boxen. Wenn Sie nicht gezielt zuschlagen, gehen Sie schnell K.o. Beachten Sie: Druck machen ist erlaubt, k.o.-Schläge aber sind verboten.

Ich weiss nicht, was Ihnen bei all diesen Ratschlägen durch den Kopf ging. Eines weiss ich: Frau Steffen möchte ich nachts nicht alleine in einer dunklen Gasse begegnen. Nach dem sie mich verunsichert hat und danach zappeln lässt, will sie mich durch Schweigen wieder bei Laune halten. Tröstlich, dass sie wenigsten von Fragetypen keine Ahnung hat. Immerhin weiss ich nun endlich, was die Ursuppe der menschlichen Kommunikation ist. Süssholz raspeln will sie mit mir nicht, nur etwas Druck machen. Wie es ihr gelingt, mich gezielt zu schlagen, ohne dass ich K.o. gehe, bleibt ihr Geheimnis. Von ihr möchte ich nicht mehr hören, deshalb ergreife ich vor soviel Schwachsinn gleich freiwillig die Flucht!