Ein Mythos: „Er ist der geborene Verkäufer!“

Ich bin sicher, Sie haben diese Phrase schon häufig gehört. Fast ausnahmslos wird damit eine extravertierte und gesellige Person beschrieben, die man auch als veritable Plaudertasche benennen könnte. In Wirklichkeit gilt dieses Klischee für den Verkäuferberuf längst nicht mehr. Es gibt keine typischen Verkäufer, so wenig wie es typische Pfarrer, typische Juristinnen oder typische Gärtner gibt. 16-Jährige können aussergewöhnlich gut verkaufen und 80-Jährige können gerissen und effektiv sein. Verkäufer gibt es in allen Grössen, Formen, Farben, ab Stange oder als Massanzug, als Frau oder als Mann.

Manche setzen gar noch einen drauf: Er ist halt ein geborener Verkäufer, ein natürliches Talent! Längst ist bekannt ist, dass der Einfluss des Faktors Talent bei herausragenden Leistungen in Wirklichkeit viel geringer ist, als man gemeinhin annimmt. Immerhin tröstet es die „Untalentierten“ und liefert ihnen im Voraus eine Ausrede für jede Form von Misserfolgen.

Auf den heutigen, hoch kompetitiven Märkten driftet das Image des Verkäufers aus der Sicht der Öffentlichkeit und jenes der Realitäten des 21. Jahrhunderts um Lichtjahre auseinander. Die heutigen Verkäufer verstehen sehr wohl, dass ihre primäre Aufgabe darin besteht, zu dienen und zuzuhören. Sie versuchen gar nicht erst, jedem ein Produkt oder eine Dienstleistung zu verkaufen, denn sie wissen sehr wohl, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt nur ganz wenige innert nützlicher Frist kaufen werden. Und diesen Unternehmen gilt ihre ganze Aufmerksamkeit.

Professionelle Verkäufer verzichten zu Gunsten von langfristigen Beziehungen auf kurzfristige Gewinne. Ihnen ist sehr wohl bewusst, dass, wenn sie im heutigen Marktumfeld überleben wollen, sie jederzeit die Interessen des Kunden im Auge behalten müssen. Das nenne ich gelebte Kundenorientierung.

Die wichtigste Lektion, die ich vom 2005 verstorbenen Management-Vordenker Peter F. Drucker lernte, ist im Kern eine sehr einfache. Er sagte: „Der Zweck jedes Unternehmens definiert sich über das Bedürfnis, das der Kunde befriedigt, wenn er ein Produkt oder eine Dienstleistung kauft. Den Kunden zufriedenzustellen ist der alleinige Auftrag und Zweck jedes Unternehmens.“

Es hat sich für viele Unternehmen gelohnt, bei ihrer täglichen Arbeit Druckers Worte in Taten umzusetzen. So betrachten sie den Kunden (nicht den CEO) als ihren Chef und haben sich zum Ziel gesetzt, mehr Kunden zu erreichen und einen Teil ihres Lebens zu verbessern. Wenn sie aus Kundensicht auf ihr Unternehmen schauen, erkennen sie, dass sie in zwei entscheidenden Situationen die Nase vorn haben müssen: Erstens wenn der Kunde ihr Produkt kauft und zweitens wenn er das Produkt nutzt. Weil sie immer zuerst an ihre Kunden dachten, haben die meisten in den letzten Jahren ihre Umsätze verdoppelt und die Gewinne verdrei-facht.

Die Verkäufer bekleiden bei diesem Bühnenstück zweifelsfrei eine Hauptrolle und stehen zusammen mit anderen Funktionsträgern des Unternehmens in der Pflicht. Gemeinsam begeistern sie das Publikum (die Kunden) mit ihren Leistungen und geniessen den wohlverdienten Applaus. Wenn das Publikum das Stück weiter-empfiehlt, so haben sie das vordergründig so simple Geschäftsmodell, dessen Einfachheit als typisches Zeichen der Weisheit von Drucker gilt, zum Wohle der Kunden und damit des Unternehmens in die Tat umgesetzt.