Weshalb Logik und Value Propositions weniger bedeutsam sind als man denkt

Vitamin V

Weshalb Logik und Value Propositions weniger bedeutsam sind als man
denkt

Sigmund Freud wunderte sich: „Was wollen Frauen?“ Professionelle
Business-to-Business-Anbieter wundern sich: „Was wollen Kunden?“ Anders
als Freud, glauben sie die Antwort zu kennen: Kunden wollen eine
überzeugende
Value Proposition!

Der Begriff ist in der B2B-Welt seit über 20 Jahren geläufig. Er
besagt, dass ein gekauftes Produkt mehr Geld (höherer Ertrag, weniger
Kosten) generiert, als es beim Kauf kostet hat. „Wenn Sie mein Produkt Y
für X CHF kaufen, werden Sie in den nächsten 5 Jahren 10 mal X CHF
zurückbekommen, oder so ähnlich …“ Value Proposition ist ein äusserst
logisches Konzept – das ist das Schöne und Limitierende dabei.

Suchmaschinen definieren den Begriff wie folgt: Wettbewerbsmässige
Differenzierung, besseres Preis-/Leistungs-Verhältnis, unerfüllte
Bedürfnisse identifizieren und befriedigen, greifbare
Geschäftsresultate. Ein typisches Beispiel könnte wie folgt lauten: Um
Kundenzufriedenheit zu erreichen, muss das Unternehmen einem definierten
Markt eine Value Proposition bieten, wenn sie längerfristig existieren
will … etwas, das in 3 bis 4 Bullet Points ausgesagt, in 3 bis 5
Sätzen übermittelt oder in maximal 30 Sekunden ausgesprochen werden kann
… oder einfacher, die Value Proposition ist das, was der Kunde für
sein Geld erhält.

Die Stimmen sind nicht zu überhören: Wenn Du eine überzeugende Value
Proposition hast, wirst Du mehr verkaufen. Das ist die typische Sprache
des Homo Economicus: rational, linear, deduktiv, zahlenbasiert. Das tönt
zwar plausibel, doch es ist nachweislich unrichtig. Um präziser zu
sein, es erklärt das Kaufverhalten ungenügender, als dies Value
Proposition-Anhänger zugeben würden.

Die beiden amerikanischen Autoren Bill Brooks und Tom Travesano (in You’re
Working Too Hard to Make the Sale
), die eine Untersuchung bei
mehreren tausend Käufern von hochpreisigen Produkten führten, fassen
ihre Ergebnisse wie folgt zusammen: „Menschen kaufen bevorzugt das, was
sie brauchen, von Menschen, die verstehen, was sie wollen. Nicht von
denen mit der besten Value Proposition.“ Ich bin überzeugt: Menschen
kaufen mit dem Herzen – und begründen es
mit dem Hirn.

Professor Gerald Zaltmann (Harvard Business School) weist darauf hin,
dass 95% unserer Kaufentscheidungen im Unterbewusstsein ablaufen. Value
Propositions sprechen diese 95% nicht an. Zig Ziglar, Doyen der
amerikanischen Verkaufstrainer, meint dazu: “ Menschen kaufen nicht aus
logischen, sondern aus emotionalen Gründen.“ Robert Cialdini (in Influence:
The Psychology of Persuasion
) listet in seinem Werk 6
Schlüssel-Einflussfaktoren auf: Nicht einer davon bezieht sich auf Daten
oder rationale Argumente.

Haben Sie schon mal jemanden sagen hören: “ Ich empfehle Ihnen das
Unternehmen Z, weil es dafür sorgte, dass wir den Lagerumschlag erhöhen
und dabei das gebundene Kapital senken konnten?“ Statt dessen sagen sie
Dinge wie, „ich schätze es, dass sie sich unverzüglich um Probleme
kümmern, wenn solche auftauchen“ oder, „sie hätten wegen den Änderungen,
die ich bei der Inbetriebnahme nachträglich forderte, auf zusätzlichen
Zahlungen bestehen können, doch sie taten es nicht.“ Anders gesagt: Was
Kunden bleibt und weshalb sie zu Empfehler werden, sind Aspekte wie
„Zuverlässigkeit“, „sich um das Geschäft des anderen kümmern“, „spart
mir Zeit“, „lässt mich besser aussehen“. Alles tiefere, emotionalere,
teils verschwommenere Gründe.

Weshalb wir nicht davon abweichen

Die Mainstream-Verkaufspraktiken im B2B-Bereich beziehen sich auf ein
Konzept, welches die wesentlichen Entscheidungshebel nachweislich auslässt.
Das erlebe ich in meiner Beratungspraxis immer wieder. Warum ist das
so? Ist es Unwissenheit? Missachtung? Wie können Verkäufer dieses
unlogische Verhalten rechtfertigen? Überprüfen Sie dies selbst am
einzigen Ort, der wirklich zählt – in Ihrem Bauch (und nicht in
Ihrem Hirn).

Dazu eine Metapher: Mark Twains Huckleberry Finn. Früh in der
Geschichte hält sich Huck gedanklich für einen Sünder, der in die Hölle
kommt. Warum? Weil er realisiert, dass er dem Sklaven Jim zur Flucht in
die Freiheit verhelfen will. In Hucks gedanklicher Welt gilt: ein
Sklave ist Eigentum seines Herrn. Ihn zu befreien, kommt einem Diebstahl
gleich, einem Verbrechen, das sowohl die Kirche als auch die
Gesellschaft als schwerwiegende Sünde verurteilt. Als Huck Jim befreit –
was wir alle als „moralisch richtige“ Entscheidung empfinden – zahlt er
dafür einen hohen Preis: Er glaubt, dass seine Seele für alle Ewigkeit
verdammt sei. Seine moralische Unschuld ist ihm unbekannt – seine
eigenen sozialen Werte haben ihn verdammt, selbst wenn sein Bewusstsein
Triumphe feiert. In seinem Werk führt uns Mark Twain vor Augen, wie es
um die „Ethik“ dieser Zeit bestellt war: Huck ist die wirklich
moralische Person, nicht die ungerechte Gesellschaft.

Verkäufer (obwohl in einem ganz anderen Bereich und Thema) müssen
sich mit einem ähnlichen Dilemma auseinandersetzen: Was man ihnen
beigebracht hat, war häufig falsch. Man hat sie Theorien, Modelle
und Value Propositions gelehrt, und zwar so eindringlich, dass die
einfache Idee, eine emotionale Beziehung könne für den Kauf entscheidend
sein, einer Irrlehre gleichkommt. Oder einem pseudo-psychologischen
Gefasel. Das Ergebnis? Man begegnet nur wenigen Huck Finns auf dem
Markt. Menschen, die bereit sind, den Weg der orthodoxen Value
Propositions zu verlassen und ihrer inneren Stimme zu folgen, die
besagt: „Hilf dem Kunden.“ Obwohl es genau das ist, was funktioniert.

Der Rechtgläubigkeit des Verkaufs

Für zahlreiche Berufsleute, denen ich begegnen darf, ist Verkaufen
gleichbedeutend mit dem Verkauf der eigenen Seele. Verkaufen ist
Manipulation. Verkaufen heisst, sich aufs Geld zu fokussieren, statt auf
die Interessen des Kunden. Im besten Fall ist es „ein notwendiges
Übel
, das es braucht, um das Geschäft zu betreiben.“ Deshalb tut ein
B2B-Verkäufer, was er schon immer tat: Er dreht eine widerliche Aufgabe
in eine akademische Beschäftigung um. Und distanziert sich persönlich.
Mit dem Resultat, dass die psychologische Konfusion wächst. Ein
Verkäufer, der Geschäfte abschliessen muss und in seiner Karriere
weiterkommen will, begegnet Hucks moralischem Dilemma:

1) Gebe ich meine moralischen Prinzipien auf, schärfe ich mein
Manipulations-Geschick und beschwindle Kunden, die ich mag? All das,
um meinen Job zu retten, meine Familie zu ernähren und in der
unsensiblen Geschäftswelt voran zu kommen?

oder

2) Behalte ich meine Prinzipien und büsse an Einkommen und
Karrierechancen ein, um ein „Erfolgloser“ zu werden.

Ich bin der Auffassung, dass die meisten Verkäufer das nicht so klar
sehen. Sie entscheiden sich für eine Art von Missachtung. Oder sie
machen einen halben Job, ärgern sich oder missgönnen jenen, die für sich
einen klareren Weg gewählt haben.

Wie weiter?

Ich plädiere für den Ansatz Huck Finn mit Zusatz! Folgen Sie
Ihrem
Herzen. Begründen Sie Beziehungen. Sagen Sie die
Wahrheit. Seien Sie transparent. Sehen sie Geschäfte als Etappenziele
und nicht als das Ende der Reise. Tun Sie die richtigen Dinge. Der
Zusatz ist, dass Sie Mark Twain’s Überblick haben und nicht Huck’s
Schuld fühlen müssen.

Aus dieser Optik betrachtet, besteht die wirkliche Rolle einer
ökonomischen Value Proposition darin, das Hirn zu füttern, damit die
Rationalisierung dem Herzen dient. Die wahre Value Proposition, ist
gleichbedeutend mit dem Wert, den ein Kunde durch eine vertrauensvolle
Beziehung mit einem Anbieter erhält. Die Ironie ist gar grösser, als
Mark Twain sich das hätte vorstellen können. Denn die, die so verkaufen,
wie Menschen wirklich kaufen wollen, sind die Erfolgreichsten von
allen!

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Juni. Gedanken.

Verkaufen ist eigentlich ziemlich leicht. Man tut viele Dinge.
Manches geht schief. Einiges geht gut. Von dem was gut geht, tut man
mehr. Und wenn es sehr gut geht, wird man schnell kopiert. Dann tut man
etwas anders. Das ist der Trick dabei: Etwas anders zu tun! –
Hans
Peter Frei

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Voranzeige

SimpleX Selling® – Tag: Die Methode. Die Erfolge.

Wann: Dienstag, 19. Oktober 2010
Wo: Hotel Mövenpick,
Zürich-Regensdorf

Erich-Norbert
Detroy
und Hans Peter Frei führen gemeinsam durch den Tag und
lassen ihn zu einem unvergesslichen Erlebnis werden: Streichen Sie sich
das Datum schon jetzt in Ihrer Agenda rot an! Das Tagungsprogramm ist
in Kürze erhältlich. Die Platzzahl ist auf 40 Teilnehmer beschränkt.

Der Event wird am 21. Oktober 2010 in Stuttgart wiederholt.

In den nächsten Wochen erhält SimpleX Selling eine eigene
Internet-Seite. 2011 erscheint das Buch.

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