Vertrauen ist alles nichts, doch ohne Vertrauen …

Vertrauen und Verkauf. Wie soll denn das gehen? Ist das nicht ein Widerspruch in sich? Es ist offensichtlich, dass beide Begriffe selten im gleichen Kontext genannt werden. Käufer sind skeptisch, manchmal zynisch, wenn es darum geht, „verkauft“ zu werden. Oftmals zu recht. Der Grund ist ein einfacher – sie fürchten, dass der Verkäufer primär an die eigenen Interessen denkt.

Verkäufer kennen dieses Dilemma nur zu gut. Einerseits wollen sie den Kunden korrekt bedienen, andererseits wollen sie den Auftrag. Können sie Kunden helfen und zur selben Zeit ihre Ziele ohne Gewissensbisse verfolgen?

Viele unternehmerische Kaufentscheidungen weisen kein hohes Mass an echtem Vertrauen auf. Der erste Grund dürfte in der heutigen dominanten Geschäftsideologie liegen, welche den Wettbewerb selbst zwischen Anbietern und Kunden betont. Zweitens basieren die meisten Verkaufsmethoden auf verkäuferzentrierten, rationalen Modellen. Und drittens scheut man das Risiko, sich dem anderen wo möglich auszuliefern.

Eine vertrauensbasierte Beziehung kann beiden Parteien zugutekommen. Menschen ziehen es vor, das, was sie sowieso kaufen müssen, von jemandem zu kaufen, dem sie vertrauen. Damit die Beziehung eine echte Chance hat, müssen wir uns als Verkäufer für den Kunden wahrhaftig interessieren. Wenn unser Hauptziel darin besteht, dem Kunden zu helfen, dann spürt das der Kunde und beginnt uns zu vertrauen.

Wenn wir dafür sorgen, dass der Kunde seine Ziele erreicht, dann sorgt er dafür, dass wir unsere Ziele erreichen.

Wenn es uns aber in erster Linie darum geht, unsere Quoten zu erreichen, dann werden wir damit keinen Funken Vertrauen schaffen, zumindest nicht nachhaltig. In Seminaren wird die MethodeFake it till you make it (Durch Schein zum Sein) gelehrt. Davor möchte ich warnen.

Wenn Sie komplexe Produkte oder professionelle Dienstleistungen (z.B. Beratungen) verkaufen, ist das ein garantiertes Misserfolgsrezept. Bei intelligenten, ethisch denkenden Menschen, langen Verkaufszyklen und intensiven, interpersonalen Kontakten ist es praktisch unmöglich, Vertrauen vorzutäuschen. Fragen Sie ihre Kunden.

Vertrauensbasierter Verkauf ist definitiv kein Widerspruch. Der einzige Grund, warum er auf den ersten Blick möglicherweise fremd klingen mag, liegt in der Tatsache begründet, dass er (noch) kaum praktiziert wird. Das wird sich in der Zukunft ändern.

Die Rolle des Vertrauens im Verkauf

Vertrauen ist nicht zu jeder Zeit und bei allen Kaufakten gleich wichtig. Wenn wir bei einem Discounter Mundwasser kaufen oder bei McDonalds einen Big Mac mit Pommes essen, dann sind wir am Aufbau einer Beziehung mit dem Personal an der Kasse oder hinter der Theke wenig interessiert. Ebenso wenig interessiert uns ihre Meinungen zu unseren dentalen oder diätetischen Problemen. Bei dieser Art von Einkäufen wollen wir vor allem eines – einen effizienten und effektiven Ablauf.

Im Gegensatz dazu gibt es Situationen, bei denen wir ohne ausreichendes Vertrauen in den Verkäufer den Kauf mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht tätigen. Denken Sie an eine Situation zurück, bei der Sie etwas kauften, von dem der Verkäufer wesentlich mehr verstand als Sie. Wie verhielten Sie sich? Ihre Reaktion war vermutlich ein Mix aus mehreren Faktoren. Erstens wollten Sie Informationen zum Produkt oder zur Dienstleistung, damit Sie sich sicherer fühlten. Zweitens wollten Sie nicht als unkundig erscheinen; der Kunde heisst schliesslich Kunde, weil er kundig ist. Und drittens wollten Sie herausfinden, ob Sie dem Verkäufer vertrauen können.

Ein vertrauenswürdiger Verkäufer ist gegenüber einem mit nur hoher Fachkompetenz im Vorteil. Als Käufer wollen wir nicht nur die richtige Lösung; wir wollen uns in der Sache sicher sein. Diese Sicherheit kann ein Verkäufer bieten – oder eben nicht.

Wann vertrauen wir einem Verkäufer? Wir trauen einem Verkäufer, wenn wir spüren dass er unsere Interessen verfolgt.

Der in der Praxis inflationär verwendete Begriff derKundenfokussierungbedeutet beim vertrauens-basierten Verkauf nicht weniger und nicht mehr, als dass Sie sich für den Kunden einsetzen und ihn nicht als Mittel betrachten, um sich zu bereichern. Wenn das zu edel und zu selbstlos tönt, dann fragen Sie sich doch bitte: Wie verhalten Sie sich, wenn Sie einem Verkäufer begegnen, der Sie als Mittel zum Zweck betrachtet, oder einem, bei dem Sie sofort spüren, dass er Ihnen helfen möchte?

Wie wird man vertrauenswürdig?

Ich bin seit vielen Jahren von der ausschlaggebenden Bedeutung des Vertrauens im Verkauf von komplexen Produkten und professionellen Dienstleistungen überzeugt. Damit stehe ich beileibe nicht alleine da. Wenn ich die Seminarteilnehmer nach der Relevanz des Vertrauens bei ihrer Tätigkeit frage, so erhalte ich fast ausschliesslich ein „sehr wichtig“ zur Antwort.

Wie wird man in den Augen des Kunden vertrauenswürdig? In ihrem exzellenten Buch THE TRUSTED ADVISOR (2000) geben die drei Autoren David Maister, Charles Green und Robert Galford auf diese Frage mit ihrerVertrauens-Gleichungeine pragmatische Antwort:

V = G + Z + K/S

dabei steht

V = Vertrauenswürdigkeit

G = Glaubwürdigkeit

Z = Zuverlässigkeit

K = Kundennähe

S = Selbstorientierung

Es geht den Autoren bei dieser Formel lediglich um einBezugssystemund keinesfalls um ein wissenschaftliches Fazit. Für sie sind alle vier Komponenten für die Vertrauenswürdigkeit bedeutsam. Sie haben mit Worten (Glaubwürdigkeit), Taten (Zuverlässigkeit), Kundennähe (Emotionen) und Motiven (Egozentrik) zu tun.

Vertrauen ist mehrdimensional. Jemand kann ihrer Kompetenz trauen, doch ihren Motiven misstrauen. Man kann dem Scharfsinn einer Person trauen, doch lehnen wir die Art, wie sie mit uns umgeht (Kundennähe) ab. Die Werte über dem Bruchstrich sollten möglichst gross, jener im Nenner möglichst klein sein. Wie bereits ausgeführt geht es nicht um eine Berechnung, sondern die Gleichung will lediglich den Einfluss der Komponenten auf die Vertrauenswürdigkeit verdeutlichen.