Gewinnt man durch aktives Zuhören Aufträge?

Nach dem Gesetz der Schwerkraft ist es einfacher, den Mund zu öffnen, als ihn zu schliessen. Welch treffende Feststellung, die besonders uns Verkäufer nachdenklich stimmen sollte! Der Schriftsteller Gottfried Keller doppelt nach:Mehr zu hören und als zu reden, solches lehrt uns die Natur. Sie versah uns mit zwei Ohren, doch mit einem Munde nur.Ein Blick morgens in den Spiegel genügt, und wir werden auf diese sanfte Weise an unsere wichtigste Pflicht erinnert!

Zuhören ist doch die natürlichste Sache der Welt, das können wir doch von frühester Kindheit an. Tun wir das wirklich? Damit wir uns richtig verstehen: Aktives Zuhören ist viel mehr als lediglich zu schweigen.

Die Gabe des Zuhörens ist nicht nur unter uns Verkäufern eine der seltensten Fähigkeiten in unserer Gesellschaft. Machen wir doch die Probe aufs Exempel: Wie viele Menschen aus Ihrem Umfeld können Sie spontan nennen, die wirklich gute Zuhörer sind? Wahrscheinlich geht es Ihnen wie mir. Sie können sie an einer Hand abzählen.

Woran liegt das? Ein Grund mag darin zu suchen sein, dass wir es weder in der Schule noch an Universitäten lernen. Wir lernen zu sprechen, uns besonders vor Gruppen korrekt auszudrücken. Doch richtiges Zuhören lernen wir nicht.

Welche Konsequenzen ergeben sich für uns Verkäufer, wenn wir bei der Fähigkeit des Zuhörens Defizite aufweisen?

  • Der Kunde fühlt sich nicht ernst genommen, deshalb findet kein richtiger Vertrauens-aufbau statt.
  • Weil wir weder richtig zuhören noch nachfragen, interpretieren wir die Kundenreaktionen, daraus entstehen Missverständnisse.
  • Angebote reflektieren die Bedürfnisse des Kunden nur mangelhaft, der Preis wird zum einzigen Differenzierungsmerkmal.
  • Es gehen Aufträge verloren.

Ich bin überzeugt, dass heutzutage mehr Aufträge wegen schlechten Zuhörens verloren gehen, als wegen zu hohen Preisen! Natürlich sagt uns das der Kunde nicht. Stellen wir die Frage noch einmal: Wenn wir schon wissen, oder zumindest ahnen, dass unkonzentriertes Zuhören Probleme bereitet, warum hören wir dann nicht besser zu? Mögliche Gründe sind:

1. Körperliche Anstrengung

Zuhören ist mehr als nur still sein, im Gegenteil. Ein Verkäufer, der aktiv zuhört, verspürt die Konsequenzen auch körperlich: der Blutdruck steigt, der Puls erhöht sich und er beginnt selbst im Winter zu schwitzen. Die Konzentration auf den Kunden, statt auf sich selbst, ist anstrengend.

2. Informations-Smog

In der heutigen Gesellschaft kämpfen zahlreiche Medien um unsere Aufmerksamkeit: Printmedien, Internet, Radio, Fernsehen, Plakate, Kino und andere mehr. Die Aufmerksamkeit ist zu einer kostbaren Währung unserer Zeit geworden. Diese Reizüberflutung macht es nötig, dass wir die Information ausblenden, die wir als unwichtig einstufen. Das führt dazu, dass wir auch Dinge ausblenden, die für eine tragfähige Kundenbeziehung wichtig wären.

3. Aktionitis

Wir Verkäufer lieben es, möglichst schnell zur Tat zu schreiten. Getreu dem Grundsatz:Schmiede das Eisen, so lange es glüht. Bereits nach wenigen Sätzen glauben wir zu wissen, wo den Kunden der Schuh drückt. Wir unterbrechen ihn und präsentieren im Brustton der Überzeugung unsere Lösung, anstatt die Zeit zu nehmen, den Kunden ausreden zu lassen und ihm aufmerksam zuzuhören. Meist ist er noch meilenweit davon entfernt, zu „glühen“!

4. Geschwindigkeitsunterschied

Es gibt einen beträchtlichen Unterschied zwischen unserer Sprechgeschwindigkeit und unserer Denkgeschwindigkeit. Die meisten Menschen sprechen mit etwa 150 Wörtern pro Minute, sind aber in der Lage, bis 450 Wörtern zu hören. Die Differenz gibt uns mehr als genügend Zeit, unseren Tagträumen nachzuhängen, den nächsten Kundenbesuch zu planen oder eine Antwort vorzubereiten. Wir hören zur selben Zeit zwei Stimmen; die des Kunden und die unsere.

5. Trainingsmangel

Wir lernen und trainieren das Sprechen, das Lesen und das Schreiben. Das Zuhören findet sich auf keinem Stundenplan. Ein schlecht trainierter Verkäufer versteht und behält etwa 50 Prozent eines Gesprächs. Dieser Wert fällt nach nur 2 Tagen auf bescheidene 25 Prozent zurück. Das bedeutet, dass er sich nur noch unvollständig und meist unrichtig erinnern kann. Kein Wunder, dass so manches Angebot an den wahren Interessen des Kunden vorbei zielt.

Wie können wir uns beim Aktiven Zuhören verbessern? Der Weg dazu ist eigentlich denkbar einfach, doch nicht immer leicht:

1) Konzentration

Konzentrieren wir unsere Aufmerksamkeit auf den Kunden und nur auf den Kunden. Stellen wir uns laufend bildlich vor, was er sagt. Bleiben wir in diesem Bild, auch wenn es uns anfänglich nicht immer leicht fällt. Zumindest stellen wir auf diese Weise selbst fest, wenn wir nicht mehr „im Bild“ sind. Wir sollten präsent sein! Wenn wir präsent sind, so ist das ein Geschenk für den Kunden. Und wenn er sich beschenkt fühlt, bringt er sich selber ein und lässt die Maske fallen. So einfach kann das sein.

2) Anerkennung

Wir zeigen dem Kunden, dass wir ihn anerkennen und respektieren, indem wir seinen Ausführungen echtes Interesse entgegenbringen.

3) Informationen

Wir sammeln Informationen über den Kunden und seine Situation, indem wir ihn befragen. Wenn wir nicht sicher sind, ob wir ihn richtig verstanden haben, dann fragen wir nach. Wir vermeiden einen der häufigsten Fehler, den wir Verkäufer begehen: Wir sollten seine Aussagen nicht „interpretieren“.

4) Einfühlungsvermögen

Wir beobachten den Kunden genau und spüren die nonverbalen Botschaften aus seiner Körpersprache. Klar, das braucht Übung, doch das sind wir uns ja gewohnt. Lebenslanges Lernen gehört zu unserem Beruf.

5) Struktur

Wir strukturieren die Informationen, die wir gehört, gesehen und notiert haben, und ziehen dann unsere Schlüsse daraus. Aktives Zuhören erspart uns viel Zeit! Der Kunde sagt uns genau, wie er kaufen möchte. Manchmal über seine Stimme, manchmal über seinen Körper, oder durch beide. Wir müssen den Prozess nur sehr sorgsam beobachten und nicht interpretieren. Ganz genau zuhören, ganz genau zuschauen und sein Tempo annehmen.