Der Verkaufsakt – die erogene Zone des Marketings

(Auszug meines Beitrags aus dem Buch Sex sells – Mythos oder Wahrheit? GABAL Verlag)

Als mich Hans-Uwe L. Köhler im Zusammenhang mit seinem Buchprojekt Sex sells einlud einen Beitrag zu schreiben, begab ich mich, dem vorgegebenen gedanklichen Rahmen des Buchtitels entsprechend, auf erotische Spurensuche. Die spannende Auseinandersetzung mit diesem gleichermassen heiklen wie faszinierenden Thema macht eines überdeutlich: es herrscht kein Mangel an Theorien und Ratgebern. Anleitungen für die ultimative Ekstase haben nicht nur in den Wochenmagazinen längst Einzug gehalten. Es herrscht gewissermassen taghelle Aufklärung. Wollen wir über Sexualität überhaupt so viel wissen, wie wir heutzutage wissen?

Das Erotische als Spiel des Verbergens und Entblössens, der Annäherung und der Ferne, des Andeutens, kann entweder ins Leere gehen oder es muss irgendwann zur Befriedigung kommen. Das Begehren muss gestillt werden. Der Akt der Erfüllung ist nicht mehr das Erotische. Wunschträumen kann nicht schlimmeres passieren als die Erfüllung.

Mangelerscheinung, Ausgleich des Mangels über Umwege, Einsatz von List, Verbergen und Entblössen, Nähe und Distanz – man müsste schon sehr taub sein, um in dieser Sprache keine Affinität zum Marketing im Allgemeinen und dem Verkauf im Speziellen auszumachen.

Erotik und Verkauf verlaufen keineswegs parallel, sondern kreuzen sich kräftig! Beide bilden im Grunde genommen das Gegenteil einer offenen Tauschbeziehung. Auch das Verkaufen hat mit dem Spiel der Verführung zu tun, mit asymmetrischen Verhältnissen, mit jener doppeldeutigen Sprache, die etwas anderes meint als sie sagt. Auch der Verkaufsakt, als Spiel des Verbergens und Entblössens, der Annäherung und der Ferne, kann entweder ins Leere gehen oder es kommt zur Erfüllung.

Wohin man auch schaut, überall auf der ganzen Welt gibt es regionale Schönheitsideale, die auf uns manchmal befremdend wirken. Oft sind es äusserst subtile Merkmale, die aber von grosser Wichtigkeit in der jeweiligen Gesellschaft sind. In Südindien finden die Männer eine starke weibliche Körperbehaarung anziehend. Einer Studie über die erotische Anziehung, bei der weltweit 190 Kulturen untersucht wurden verdanken wir die Erkenntnis, dass zwei Merkmale überall gleich geschätzt werden: ein gesunder Körper und eine makellose Haut.

Die Modeindustrie manipuliert diese visuellen Codes gekonnt. Das Verbessern der Natur bei Fotomodels, besonders bei den Augen, ist eine Angelegenheit für Profis. Durch das Aufhellen der Iris tritt der Kontrast zum Schwarz der Pupillen stärker hervor. Wenn die Pupille selbst noch künstlich vergrössert wird, ist die Wirkung noch intensiver. Erweiterte Pupillen sind eine normale Reaktion bei sexueller Erregung und damit ein unterschwelliges Signal. Das Weiss der Augäpfel wird mit Gesundheit, Jugend und Vitalität verbunden. Auch hier werden alle Register gezogen. Die Lippen werden intensiv rot gefärbt und imitieren den Farbwechsel, der auch bei sexueller Erregung auftritt. Und die Gesichtsfarbe erhält einen warmen Ton, um eine gesunde erotische Ausstrahlung zu vermitteln. Übertrieben lange Beine bei Frauen sind ebenfalls ein wichtiges sexuelles Signal.

Nach dem gegenseitigen Betrachten kommt es zur nächsten Phase in der menschlichen Partnerwerbung. Wie brechen die Menschen am schnellsten das Eis? Eine brauchbare Methode ist die Kultivierung des glücklichen Zufalls. Einige irrelevante, absolut nicht sexuell motivierte Faktoren wie das Ausführen des Hundes bahnen ein Gespräch an. Die involvierten Personen suchen nicht direkt nach einem Partner, das wäre zu plump, stattdessen gehen sie einer gemeinsamen Beschäftigung nach, die sie zusammenbringt. Überall auf der Welt werden auf diese Weise neue Beziehungen geknüpft. Die Frage des Eisbrechens bei potenziellen Kunden beschäftigt Verkäufer auf der Welt täglich. Die oben erwähnte Methode der Kultivierung des glücklichen Zufalls ist im Geschäftsleben zwar weder sinnvoll noch besonders erfolgsversprechend. Dessen ungeachtet, erfreut sie sich einer übergrossen Anhänger-schaft. Aus Angst vor dem persönlichen Kontakt mit einer wildfremden Person und der damit verbundenen Gefahr der Zurückweisung, beschreiten Unternehmen defensive und meist sehr kostspielige Wege, um die Kunden zu animieren selbst Kontakt aufzunehmen. Und dann wird, frei nach dem Prinzip Hoffnung, gewartet.

Nach den ersten, schüchternen Blicken werden freundliche Worte gewechselt. In dieser Phase beginnt der Informationsaustausch, wo jeder so viel wie möglich über den anderen erfahren möchte, über seine Vorlieben ebenso wie über seine Schwächen. Diese detektivische Kleinarbeit erfordert viel Zeit, ist aber ein wichtiger Prozess, wenn eine länger anhaltende Partnerschaft angestrebt wird. Die Parallelen zum Verkauf sind evident. In einer Region Chinas hilft den jungen Männern und Frauen eine traditionelle Methode, die Schüchternheit beim Ansprechen zu überwinden. Anstatt sich untereinander anzusprechen, bilden sie zwei getrennte Gruppen und kommunizieren mittels Gesang miteinander!

Die gesungene Gesprächseröffnung! Genial. Weshalb nicht? Damit wären Sie wirklich einzigartig und wohl für ewige Zeit in den Köpfen und Herzen Ihrer Kunden verankert. Ich ahne schon, was Sie jetzt denken. Erstens kann ich nicht singen und zweitens, was würden denn meine Kunden denken. Zudem hat das bislang noch nie jemand in der Branche gemacht. Stimmt. Bis einer kommt und es tut. Weshalb nicht Sie?