So geht Kundenorientierung!

Kundenorientierung manifestiert sich darin, dass alle marktrelevanten Massnahmen von Anbietern unter dem Aspekt der Verbesserung des Kundennutzens gesehen werden. Damit wird auch deutlich: Es handelt sich um ein dynamisches Phänomen. Die Kunden-orientierung muss immer wieder überprüft werden, da sich der (erwartete) Kunden-nutzen im Zeitablauf ändern kann. Auf Investitionsgütermärkten, auf denen der Kunden-nutzen in der Regel ein abgeleiteter Nutzen ist, gilt in besonderem Masse die Feststellung Theodore Levitt’s, dass Kunden Produkte in der Regel nicht kaufen, um sie zu besitzen, sondern um damit Probleme zu lösen (Kunden wollen keinen Bohrer, sie wollen Löcher in der Wand.).

Kundenorientierung heisst in diesem Sinne, die Probleme des Nachfragers wirklich zu kennen und (bessere) Lösungen anzubieten. Das erfolgreiche Problemlösungsangebot muss daher nicht zwangsläufig zur vollen Kundenzufriedenheit führen. Vielmehr verlangt Kundenorientierung nur  ein Verstehen des Marktes in dem Sinne, dass das eigene Lösungsangebot von den relevanten Kunden als das relativ Beste wahrgenommen wird. Kundenzufriedenheit ist aus Anbietersicht aber auch nur insoweit von Bedeutung, als ein Mehr an erzielter Kundenzufriedenheit ein Mehr an Resultaten erzeugt („Mittel zum Zweck“).

Die Kundenorientierung eines Anbieters dokumentiert sich beim Nachfrager im Grad der Kundenzufriedenheit. Sie beschreibt, inwieweit der Kunde ein seinen Erwartungen entsprechendes Angebot gefunden hat. Oder mit anderen Worten: Erwartete und erlebte Qualität eines Angebots stimmen überein. Insofern lässt sich Kundenzu-friedenheit durch eine Qualitätspolitik beschreiben, die auf die Erfüllung der erwarteten (segmentspezifisch variierenden) Qualitätsanforderungen gerichtet ist.

Kundenorientierung hat eine kurzfristige und eine langfristige Komponente. Kurzfristig geht es darum, den erforschten Kundenwünschen gerecht zu werden. Langfristig heisst Kundenorientierung aber auch, Vermutungen über Problemlösungserwartungen anzustellen, um zukünftigen Problembedarf erfüllen zu können. Diese müssen nicht zwangsläufig auf Kundenbefragungen basieren, doch manchmal sind Kunden gar nicht in der Lage, ihre Wünsche zu spezifizieren. Es gibt Unternehmen, die sich dabei am technisch Machbaren orientieren. Ohne eine gründliche Analyse möglicher Kundennutzen, die aus der Entwicklung resultieren, bleibt es bei einer reinen Technologieorientierung. Der Kunde erhält nur mehr oder weniger zufällig einen Product Value. Diese Strategie kann natürlich auch auf Kundenwünsche treffen und damit erfolgreich sein. Aber das ist keine überzeugende Strategie.

Entscheidend ist, dass explizit alle Maßnahmen eines Unternehmens auf ihre Kundenorientierung hin überprüft werden. Häufig bedeutet das, sich von groben Entwicklungstrends leiten zu lassen, um daraus konkrete Entwicklungen zu initiieren. So führte die Entwicklung zur Freizeitgesellschaft für die Automobilbauer zur Entwicklung von SUV-Fahrzeugen. Dies wiederum bedingte eine spezifische Getriebeentwicklung. Welche Anforderungen an dieses Getriebe zu stellen sind, lässt sich natürlich nicht aus Marktforschungsergebnissen ableiten, da die (potenziellen) Kunden zu entsprechenden Urteilen gar nicht in der Lage sind.

Dass dabei Irrtümer auftreten können, liegt in der Natur der Sache. Diese explizite Kundenorientierung ist aber offensichtlich in der Praxis nur in eingeschränktem Masse verbreitet, vielleicht, weil man die „Fallgruben“ der Kundenorientierung nicht deutlich genug erkannt hat.

Fallgrube Nr. 1: Die Erwartungen des Kunden werden vom Anbieter nicht richtig wahrgenommen, entweder weil der Kunde seine Erwartungen nicht formulieren kann (womöglich ganz und gar unsicher ist, was er eigentlich will) oder weil Fehler und Versäumnisse in der Informationsbeschaffung passieren.

Fallgrube Nr. 2: Die wahrgenommenen Erwartungen des Kunden werden falsch in Spezifikationen umgesetzt. Erfolgreiche Entwicklungstätigkeit setzt richtige Kundenkenntnis und Kundeneinschätzung voraus, damit nicht an den Erwartungen der Kunden vorbeientwickelt wird.

Fallgrube Nr. 3: Die Ausführung der Leistung in Produktion, Logistik und Verkauf entspricht nicht den Spezifikationen.

Fallgrube Nr. 4: Durch externe Kommunikation werden Erwartungen beim Kunden geweckt, die durch die Ausführung der Leistung nicht bestätigt werden.

Fallgrube Nr. 5: Das Verhältnis von wahrgenommener und erwarteter Problemlösung stimmt nicht: die erlebte Qualität als Wirkung aller Anstrengungen des Anbieters ist nicht ausreichend. Diese Fallgrube umfasst alle anderen.

Nur der Anbieter, der die Fallgruben der Kundenorientierung kennt und sie vermeidet, wird erfolgreich kundenorientiert sein können. Er ist in der Lage, das Motto von Theodore Levitt zu beherzigen: The market calls the tune, and the players had better play it right.

Literaturhinweise
Klaus Backhaus, Industriegütermarketing, Verlag Vahlen
Philip Kotler, Marketing, Econ Verlag
Richard Kühn, Marketing, Analyse und Strategie, Werd Verlag
Theodore Levitt, The Marketing Imagination, The Free Press NewYork