Neukundengewinnung aus strategischer Sicht

Betrachtet man die Gewinnung von Neukunden aus längerfristiger Sicht, dann lassen sich zwei grundsätzliche Strategien unterscheiden: 1) Als Anbieter können sie sich darauf fokussieren, die Kunden des Wettbewerbs zu gewinnen, oder 2) sie konzentrieren sich auf bisherige Nichtverwender. Darum geht es in dieser Ausgabe.

Die Kunden des Wettbewerbs gewinnen

In den übersättigten Märkten der industrialisierten Welt sind Kundenbindungsstrategien an der Tagesordnung. Dadurch wird es für den Wettbewerb schwieriger, potenzielle Kunden von den Vorteilen der eigenen Produkte und Dienstleistungen zu überzeugen, von denen sie bei einem Wechsel profitieren könnten. Was gehört zu einer erfolgreichen Akquisitionsstrategie? Es sind vor allem drei Faktoren, die kritisch sind: Das Verständnis der Bestimmungsfaktoren der Kundenbindung, die möglichen Wechselgründe als auch die Wahl des richtigen Zeitpunktes. Natürlich gibt es Fälle, bei denen Kunden ihre Leistungen bei einem Anbieter beziehen, ohne an diesen gebunden zu sein. Für Wettbewerber wird es aufgrund der geringen Wechselbarriere einfacher, diese Kunden abzuwerben.

Wer etwas so Wertvolles wie einen Kunden „besitzt“, wehrt sich gegen einen möglichen Verlust mit allen Mitteln. Dabei lassen sich technologische, ökonomische und psychologische Bindungen unterteilen. Bei technologischen Bindungen (Beispiel Autobranche) sind die Kunden häufig gezwungen, Ersatz- und Zubehörteile oder Wartungs- und Reparaturdienstleistungen bei demselben Anbieter zu kaufen. Monetäre Anreize wie beispielsweise Rabatt- oder Baukastensysteme können die Wechselkosten erhöhen. Das wohl klassischste Beispiel einer ökonomischen Bindung sind die Vielflieger-Programme, als Beispiel sei hier auf Miles [&] More von Swiss verwiesen.

Psychologische Bindungen umfassen unter anderem Vertrauen, Zufriedenheit und eine „innere Verpflichtung“ gegenüber dem Anbieter und führen im Idealfall zu Kundenloyalität. Loyale Kunden haben in der Regel kein Interesse an einem Wechsel, weil sie mit den Leistungen zufrieden sind und Vertrauen aufgebaut haben. Kundenzufriedenheit ist für die Kundenbindung ohne Zweifel von immenser Wichtigkeit.

Allerdings bedeutet eine hohe Zufriedenheit nicht automatisch einen Wiederkauf. Sie spiegelt zwar die Einstellung der Kunden wider, für die Bindung ist aber das tatsächliche Kaufverhalten relevant.

Die Nichtverwender gewinnen

Unter Nichtverwendern sind Unternehmen zu verstehen, die bestimmte Produkte oder Dienstleistungen in der Vergangenheit noch nicht verwendet oder in Anspruch genommen haben. Sie verfügen deshalb über keinerlei Erfahrungen in der Anwendung. Die Darstellung des spezifischen Nutzens, das Reduzieren des wahrgenommenen Risikos sowie der Aufbau von Vertrauen und positiven Erwartungen sind in diesem Fall besonders wichtig. Häufig müssen latente Bedürfnisse der potenziellen Kunden angesprochen werden. Dabei besteht die Möglichkeit, ausgehend von bestehenden Leistungen auf neue Verwendungszwecke aufmerksam zu machen, beziehungsweise neue Kundengruppen anzusprechen, oder mit Hilfe neuer Leistungen echte Innovationen einzuführen.

Weshalb wechseln Kunden?

Es sind in der Regel drei Faktoren, die einen Wechsel fördern: die Bequemlichkeit, das Bedürfnis nach Abwechslung oder die Nichtverfügbarkeit von Leistungen beim bestehenden Anbieter. Wenn Sie Kunden des Wettbewerbs akquirieren wollen, so ist es ratsam, eben diese Attribute besonders hervorzuheben.

In der Regel beurteilen Kunden das Kosten-Nutzen-Verhältnis der bestehenden Beziehungen im Vergleich zu Alternativen. Um Kunden der Wettbewerber zu gewinnen, sollte der Zielgruppe deshalb ein im Vergleich zur bisherigen Geschäftsbeziehung höherer Wert in Aussicht gestellt werden. Die Erfahrung zeigt, dass auf diese Weise so die Wechselbereitschaft der Kunden insgesamt erhöht wird. Allerdings besteht die Gefahr, dass dadurch vor allem „Schnäppchenjäger“ gewonnen werden, die beim nächsten lukrativen Angebot, einer Biene gleich, zur nächsten Blüte fliegen!

Konklusion

Die Akquisition neuer Kunden ist ein komplexer Prozess. Die Wahl des richtigen Zeitpunktes der Kundenansprache ist von entscheidender Bedeutung. Ursachen dafür sind in Veränderungen auf Kundenseite sowie in strukturellen Veränderungen des Marktes zu sehen. Neben Entwicklungen der Kundenprofitabilität können sich im Laufe von Geschäftsbeziehungen auch die Bindungsfaktoren zugunsten der Wettbewerber verändern. Beispielsweise, indem das Vertrauen missbraucht wird, die Zufriedenheit abnimmt oder das Bedürfnis nach Abwechslung überwiegt. Strukturelle Veränderungen können sich aufgrund von Deregulierungen und Liberalisierungen, dem Ablauf von Patenten, dem Eintritt neuer Wettbewerber, der Einführung neuer Technologien ergeben. Als Folge daraus eröffnen sich im Zeitablauf vielversprechende Chancen, die es zu realisieren und zu nutzen gilt.