Überzeugungsstrategien mit Hintergedanken

Die Häufigkeit, mit der Überzeugungsstrategen freundschaftliche Gefühle für ihre Zwecke einsetzen, sagt einiges über die Wirksamkeit der Sympathieregel für die Erzielung von Gehorsam aus. Um das Thema Überzeugen durch Sympathie geht es in dieser Ausgabe.

Auch wenn es noch gar keine Freundschaften gibt, auf die man sich berufen könnte, wird versucht, aus der Sympathieregel Kapital zu schlagen. In solchen Fällen machen sich die Überzeugungsprofis das «Band der Sympathie» zu Nutze, indem sie sich einer ziemlich direkten Strategie bedienen: Sie machen sich selbst erst einmal bei uns beliebt.

In Detroit lebte ein Mann namens Joe Girard (1928-2019), der sich auf den Einsatz der Sympathieregel für den Verkauf von Chevrolets spezialisiert hatte. Er tat dies mit einem solchen Erfolg, dass sich sein Jahresgehalt auf mehrere Hunderttausend Dollar belief.

Bei einem solchen Einkommen könnte man meinen, es handele sich um einen hohen Manager von «General Motors» oder vielleicht um den Besitzer einer Chevrolet-Nieder- lassung. Dem ist jedoch nicht so. Joe Girard hat sein Geld als ganz normaler Verkäufer gemacht. Sein Erfolg war phänomenal. Zwölf aufeinander folgende Jahre hatte er den Titel «Number One Car Salesman» gewonnen. Er verkaufte an jedem Arbeitstag durchschnittlich mehr als fünf Personen- und Lastwagen. Im Guinness-Buch der Rekorde wird er als «erfolgreichster Autoverkäufer der Welt» aufgeführt.

Angesichts seines grossen Erfolgs war das Rezept, nach dem er vorging, erstaunlich einfach. Es bestand daraus den Leuten nur zwei Dinge anzubieten: einen fairen Preis und jemanden, von dem sie gerne kauften. «Und das ist alles», erklärte er in einem Interview.

Girards Erfolgsstory zeigt, welche wichtige Rolle die Sympathieregel im Geschäftsleben spielt. Was sie uns nicht zeigt, ist, warum die Kunden ihn sympathischer fanden als irgendeinen anderen Verkäufer, der ihnen einen fairen Preis machte. Die entscheidende — und faszinierende — allgemeine Frage, die sich stellt, lautet: Welche Faktoren bewirken, dass man jemanden sympathisch findet? Wenn wir das wüssten, wären wir einen grossen Schritt weiter bei der Lösung des Rätsels, wie solche Leute wie Girard es hinkriegen, dass wir sie sympathisch finden, und wie wir unsererseits andere dazu bringen könnten, uns sympathisch zu finden. Zum Glück beschäftigen sich Sozialwissenschaftler bereits seit Jahrzehnten mit dieser Frage. Mithilfe der Daten, die sie gesammelt haben, konnten sie eine Reihe von sympathiefördernden Faktoren identifizieren. Wie wir sehen werden, wird jeder dieser Faktoren geschickt von Überzeugungsprofis genutzt, um uns ein Stückchen weiter dahin zu bringen, wo sie uns haben wollen.

Menschen haben eine höhere Bereitschaft, sich von jemandem überzeugen zu lassen, den sie kennen und sympathisch finden. Dessen sind sich viele Überzeugungsstrategen bewusst und viele von ihnen erhöhen ihre Überzeugungskraft, indem sie verschiedene Faktoren in den Vordergrund stellen, welche wiederum ihre Attraktivität und ihre Beliebtheit bei ihrem Gegenüber steigern.

Ein Merkmal von Personen, das einen Einfluss auf ihre Beliebtheit hat, ist ihre körperliche Attraktivität. Obwohl schon seit längerem vermutet wird, dass äussere Schönheit in sozialen Interaktionen Vorteile mit sich bringen kann, zeigen Forschungsergebnisse, dass diese Vorteile womöglich noch grösser sind als bislang gedacht. Körperliche Attraktivität scheint einen «Halo-Effekt» hervorzurufen, d. h., auf den Eindruck, den das Gegenüber von anderen Persönlichkeitseigenschaften wie Begabung, Freundlichkeit und Intelligenz hat, «abzufärben». Aus diesem Grund ist es für gutaussehende Leute leichter, andere zu beeinflussen. Sie bekommen eher, um was sie bitten, und schaffen es leichter, andere von ihrer Meinung zu überzeugen.

Ein weiterer Faktor, der einen Einfluss auf Sympathie hat, ist Ähnlichkeit. Wir mögen Leute, die so sind wie wir und wir sind eher bereit, zu tun, was sie wollen — oftmals ohne uns dessen bewusst zu sein. Ein weiterer sympathiefördernder Faktor ist Lob und Anerkennung. Zwar kann der Schuss nach hinten losgehen, wenn die Absicht allzu leicht zu erkennen ist, in der Regel jedoch fördern Komplimente die Sympathie und damit auch die Bereitschaft, zu tun, was der andere von einem verlangt.

Vertrautheit durch wiederholte Kontakte mit einer Person oder einer Sache ist ein weiterer Faktor, der sich in der Regel sympathiefördernd auswirkt. Dies gilt vor allem, wenn der Kontakt unter positiven Bedingungen stattfindet. Eine besonders effektive positive Bedin- gung ist die gemeinsame und erfolgreiche Kooperation.

Eine potenziell effektive Strategie, mit der man unerwünschte Einflüsse von Sympathie auf Kauf- und andere Entscheidungen abschwächen kann, besteht darin, besonders darauf zu achten, wie nett wir Menschen finden, die uns von etwas überzeugen wollen. Sobald wir erkennen, dass wir unter den gegebenen Umständen ungewöhnlich viel Zuneigung für unser Gegenüber empfinden, empfiehlt es sich, innerlich einen Schritt zurückzutreten, in seinen Überlegungen zwischen Anbieter und Angebot zu trennen und dann allein auf Grund der Vorzüge des Angebotes zu entscheiden, ob man es annehmen möchte oder nicht.

(Dieser Text ist mit Auszügen aus dem empfehlenswerten Buch «Die Psychologie des Überzeugens» von Robert B. Cialdini angereichert.)