Hoffnung ist keine Strategie!

Gute Akquisitionsleistung ist eine Frage der inneren Haltung. Tritt der Verkäufer offensiv gegenüber potenziellen Interessenten auf, oder verhält er sich defensiv und wartet weiterhin auf Kunden? Wie gross ist die Bereitschaft, neben Strategien und Techniken auch die eigenen Anteile im gesamten Akquisitionsprozess zu beleuchten und Denk- und Verhaltens-veränderungen zuzulassen? Um den Dauerbrenner „Akquise“ geht es in dieser Ausgabe.

Akquisition steht für Neukundengewinnung – der erste Kontakt zu einem potenziellen Kunden. Da sich viele Mitarbeiter scheuen, diese Aufgabe systematisch und kontinuierlich zu erledigen, werden in den Unternehmen defensive und kostspielige Wege beschritten, um die Kunden zu animieren, von sich aus Kontakt aufzunehmen.

Akquisition ist eine verantwortungsvolle Aufgabe und eine, die mit Ängsten, Fantasien und Widerständen besetzt ist. Aufgrund meiner langjährigen Erfahrung auf diesem Gebiet habe ich erlebt, dass nur sehr wenige Verkäufer diesen Job wirklich gerne tun und sich voll damit identiizieren. Es kostet sie viel Mühe und Überwindung, bei Fremden anzurufen und sie spontan für etwas zu motivieren. Viele Verkäufer sind Meister im bewussten und unbe-wussten Verschieben dieser als unangenehm empfundenen Situation. Sie bleiben passiv und hoffen, entgegen aller Erfahrungen, dass vielleicht doch der Kunde von selbst zu ihnen kommt.

Dass die Akquisition in vielen Unternehmen ein Stiefkind des Verkaufs ist, hat eine Reihe von Gründen. Häufig betreiben Verkäufer die Akquisition eher «nebenbei» und sind vorwiegend mit anderen Tätigkeiten beschäftigt. Oft erhalten sie innerhalb des Unternehmens wenig Unterstützung. Vor allem in der schwierigen Anfangsphase, bis Routine gesammelt und ein Netzwerk aufgebaut ist, geben viele Verkäufer auf oder sind froh, sich mit anderen Tätigkeiten ablenken zu können. Dazu kommt, dass die wenigsten eine fundierte Ausbildung und Begleitung erhalten, die auf die speziellen Anforderungen der Akquisition gezielt eingehen.

Im der überversorgten Märkten der industrialisierten Welt sind Unternehmen erst recht darauf angewiesen, dass ihre Verkäufer aktiv und systematisch Kontakt zu potenziellen Kunden aufnehmen. Und damit sind sie auch darauf angewiesen, dass ihre Verkäufer über die dazu nötigen fachlichen, methodischen und vor allem sozialen Kompetenzen verfügen. Die kann man erwerben. Die Frage ist nur: Welche Kompetenzen sind wirklich wichtig?

Eine Mehrzahl der Seminare und Bücher über Verkauf handeln die Akquisition, wenn überhaupt, als ein Teil des gesamten Verkaufsprozesses ab. Akquisition ist aber nicht gleichbedeutend mit Verkauf! Ein guter Verkäufer ist noch lange kein guter Akquisiteur. Die Gewinnung neuer Kunden beziehungsweise die Aktivierung bestehender Kunden ist eine ganz andere und völlig neue Herausforderung und bereitet selbst erfahrenen Verkäufern grosse Probleme.

So werden zur Abhilfe überwiegend Strategien und Techniken angeboten, mit deren Hilfe Kommunikation und Verhandlungsführung geschult werden können. Im Coaching mache ich oft die Erfahrung, dass die mit Akquisition beschäftigten Mitarbeiter diese Techniken logisch und völlig richtig wiedergeben können – und sie dennoch in der Praxis nicht umsetzen. Denn in der Stresssituation der Akquisition fallen sie in alte Muster zurück. Hinderliche Glaubenssätze bewirken, dass die erlernte Technik «blutleer» eingesetzt wird – ohne dass der Akquisiteur wirklich dahintersteht. Das merkt der Gesprächspartner natürlich und der ganze Auftritt wirkt «erlernt» und wenig überzeugend.

Wesentlich für den Erfolg in der Akquisition ist die Persönlichkeit des Verkäufers:

• Wirkt er überzeugend, weil er selbst überzeugt ist von dem, was er sagt und anbietet?

• Identifiziert er sich mit seiner Rolle als Akquisiteur und spürt der Gesprächspartner diese selbstbewusste und professionelle Haltung?

• Ist er aktiv und geht voller Selbstvertrauen von sich aus auf potenzielle Kunden zu?

• Gelingt es ihm, rasch eine gute Beziehung zu Menschen aufzubauen?

• Hat er auch in Stresssituationen Zugriff auf sein Potenzial?

Wir befragten im letzten Frühling 79 Geschäftsführer und Verkaufsleiter aus KMU’s. Wir wollten wissen, warum ihrer Ansicht nach Akquisition so wenig (oder kaum) betrieben wird, beziehungsweise oft erfolglos bleibt. Die Antworten decken sich mit unserer langjährigen Erfahrung im Training und Coaching. Die so genannt «weichen» Faktoren sind ausschlaggebend für den Erfolg! Akquisition scheitert daran, dass Verkäufer mit ihren inneren Befürchtungen und Ängsten – ihren «emotionalen Viren» – nicht umgehen können, von sich und ihrer Rolle nicht überzeugt sind und deshalb um die Akquisition einen grossen Bogen machen. Diese «weichen» Faktoren zu entwickeln und die Persönlichkeit des Verkäufers zu stärken, sind ausschlaggebend für den Erfolg, denn nur so hat er auch unter Stress Zugriff auf Methoden und Techniken und kann sie überzeugend anwenden.

Sie können diese Situation mit jener von sogenannten «Trainingsweltmeistern» im Sport vergleichen. Manche Sportler bringen im Training Topleistungen – doch wenn es drauf ankommt, sind sie nicht in der Lage, an ihre herausragenden Leistungen anzuknüpfen. Sie sind nervös, der Gegner jagt ihnen zu viel Respekt ein, die Erwartungshaltungen von aussen legen sich als zentnerschwere Last auf ihre Schultern. Im inneren Dialog hadern sie während des Wettkampfs mit sich und sind nicht wirklich bei der Sache. Kein Wunder, dass sie nicht die gleichen Ergebnisse erzielen wie im Training, wo sie zugleich locker und konzentriert sind.

Die Mehrzahl der Befragten war sich darüber einig, dass neben der Stärkung der Führungskräfte im Umgang mit passiven Mitarbeitern vor allem zielorientierte Weiterbildungsprojekte für dieses höchst sensible und mit vielen Ängsten besetzte Thema erforderlich sind. Das heisst, nicht nur die Vermittlung von Akquisitionsstrategien und speziellen Kommunikationstechniken, sondern vor allem eine individuelle Entwicklung des persönlichen Auftritts und eines zur Persönlichkeit passenden Akquisitionsstils.