Lassen Sie die erste Lösung auf dem Teller liegen!

Viele Verkäufer neigen dazu zu glauben, dass jedermann braucht, was sie offerieren und dass ihre Lösungen universelle Einsatzmöglichkeiten bieten. Allerdings vergessen sie oft, dass Lösungen für den Kunden Probleme lösen müssen, die ihn entweder stark beschäftigen und/oder jene Resultate liefert, die für ihn wichtig sind und die er erreichen muss. Um das Thema «Lösungen verkaufen» geht es in dieser Ausgabe.

Lösungen müssen etwas lösen. Wenn nur wenig existiert, was der Kunde wirklich verändern will oder muss, so hat jede vorgeschlagene Lösung für ihn höchstens einen marginalen Wert.

Nicht selten entsteht der Eindruck, als gäbe es zwischen Kunden und Verkäufer so etwas wie eine unausgesprochene Übereinkunft, schon früh im Gespräch über Lösungen zu sprechen. Damit spielen die Kunden in die Karten der Verkäufer. Diese lieben es, über Lösungen zu sprechen. Sie verstehen sie, sie wissen viel über sie, es geht schliesslich um sie, es ist ihre Lösung und sie ist doch so einzigartig. Dabei agieren die Verkäufer aus ihrer Komfortzone.

Und wie steht es um die Kunden? Sie glauben gerne an eine magische Formel – dass sie bloss etwas Geld investieren müssen und alles wird gut sein. Es ist einfacher, über Lösungen zu sprechen als die intensive und kritische Vorarbeit zu leisten. Dazu gehören: die Probleme aufzudecken, die die Lösung eliminieren soll; den Beweis zu erbringen, dass man ein Problem hat; Ziele und Messgrössen für den Erfolg zu entwickeln; mögliche Folgeerscheinungen im System zu antizipieren und Zwänge zu identifizieren. Solange die erst beste Lösungen das Gespräch dominiert, lastete der ganze Druck auf dem Verkäufer und der Kunde kann sich zurücklehnen und zuhören.

Erfahrene Verkäufer besitzen die Fähigkeit, der ersten Lösung den Rücken zu kehren. Sie halten sich zurück, bis sie die wirklichen Probleme aufgedeckt haben und die Resultate, die der Kunde erreichen will, bekannt sind. Sie organisieren ihre Fragen so, dass sie wichtige Antworten zu kritischen Aspekten erhalten. Dabei gewinnen die Kunden Einsicht und Verständnis für ihre wahre Situation.

In seinem Buch Emotionale Intelligenz bezieht sich Dr. Daniel Goleman auf eine bemerkenswerte Studie, welche Walter Mischel (1930-2018) in den 60er-Jahren auf dem Campus der Stanford University durchgeführt hatte. Er bat 4-jährige Kinder allein in einen Raum, wo sie sich an einen Tisch setzen konnten, auf dem ein Marshmallow lag. Der Forscher erklärte den Kindern, dass sie das Marshmallow haben können, wenn sie mit essen zuwarten, bis er von einer kurzen Besorgung zurück sei. In diesem Fall brächte er ihnen ein zweites Marshmallow mit. Darauf verliess der Forscher den Raum; das Kind wurde heimlich gefilmt. Was dann geschah, offenbart Ihnen ein interessantes wie unterhaltsames Video, welches Sie auf YouTube geniessen können:  https://www.youtube.com/watch?v=QX_oy9614HQ. Es lohnt sich!

Die Forscher folgten den Kindern über einen Zeitraum von 15 Jahren. Jene Kids, die die Geduld und die Disziplin aufbrachten und das Marshmallow nicht vor dem Eintreffen des Forschers assen, waren später sowohl emotional als auch intellektuell erfolgreicher, ungeachtet der eigeschlagenen Laufbahn.

Ein vergleichbares Verhalten ist bei Verkäufern zu beobachten. Der Kunde legt seine Lösung auf den Tisch, z.B. «Unsere Verkaufsmannschaft benötigt ein eintägiges Verkaufstraining». Wenn der Verkäufer dem Impuls widersprechen kann, über diese Lösung – einer erwachsenen Version des Marshmallows – zu sprechen und stattdessen effektive Fragen stellt, dann resultieren daraus nicht selten weit grössere Chancen für zusätzliche Geschäfte. Die Tendenz, sofort nach der erstbesten Lösung zu greifen, ist ein Verhalten, welches nicht einfach zu ändern ist. Verkäufer, die dem widerstehen können, sind nachweislich erfolgreicher und deren Kunden zufriedener.