Alter Wein in neuen Schläuchen

Gerne lade Sie zu einem interessanten Exkurs in die Anfänge des professionellen Verkaufens ein. Man schrieb das Jahr 1889, als diese in den Vereinigten Staaten von Amerika gelegt wurden. Davon handelt diese Ausgabe.

Ein guter Verkäufer muss die Probleme seiner Kunden kennen. Diesen Lehrsatz und viele Methoden für besseres Verkaufen entwickelte John H. Patterson, Gründer des Unternehmens NCR National Cash Register, vor über 130 Jahren!

Die Geschichten von Verkäufern und deren Heldentaten werden oft erzählt, über die Arbeit der Verkaufsleiter wird hingegen weitaus seltener berichtet. Sie waren es, die im späten 19. Jahrhundert das Land in Vertriebsregionen einteilten, Quoten und Provisionssätze zuordneten und ihren Aussendienst mit Produktbeschreibungen und Daten unterstützten. Sie zählten die Kundenkontakte, die Zahl verkaufter Produkte und den Umsatz, um den Erfolg ihrer Mitarbeiter zu bewerten.

Die erfolgreichsten Verkaufsleiter boten ihrem Aussendienst darüber hinaus Inspiration, Enthusiasmus und eine effektive Verkaufsbotschaft. Verkäufern etwas zu verkaufen, sie durch eine klare Mission zu motivieren, erweist sich oft als härter, als das Produkt selbst zu verkaufen.

Einer der frühen Meister der Motivation war der erwähnte John Henry Patterson. Er war fest entschlossen, eine Armee von Verkäufern zu formieren, die nichts mehr mit Hausierern und Handlungsreisenden gemein hatten. Er drängte seine Verkäufer dazu, gute Anzüge zu tragen und in den besten Hotels zu logieren. Er hielt ihnen Vorträge über gesunde Lebensweise und gute Umgangsformen. Schliesslich vermittelte er ihnen eine solide Ausbildung im Umgang mit dem zu verkaufenden Produkt.

Ab 1906 durften Verkäufer, deren Quoten stimmten, dem renommierten Hundred Point Club des Unternehmens beitreten. Dessen Mitglieder belohnte Patterson mit einer Reise zum NCR-Produktionssitz und 150 Dollar in Gold. Dieses jährliche Treffen dauerte eine Woche und beinhaltete Vorträge von Patterson und anderen Managern.

Der beste Weg, seine Verkäufer zu motivieren, sei jedoch ein Arsenal hilfreicher Verkaufsargumente. Und so weihte Patterson im Jahre 1894 eine der ersten unternehmensgeführten Verkäuferschulen in den USA ein. Der Einführungskurs dauerte sechs Wochen und umfasste Grundlagen der Buchführung im Einzelhandel und Methoden, ein Produkt zu präsentieren.

Als die Schule grösser wurde, ergänzte Patterson sie um Nachbauten eines Lebensmittelladens und einer Metzgerei. Die angehenden Verkäufer sollten den Ladenbesitzern erklären, warum sie eine Registrierkasse kaufen sollten und worin sich die NCR- Kasse von ihren meist billigeren Konkurrenten unterschied.

Patterson war seiner Zeit weit voraus. Er erkannte, dass der Schlüssel zur Kunst des Verkaufens nicht im Verkauf von Waren lag, sondern im Verkauf von Problemlösungen! NCR-Vertreter durften ein Produkt niemals beim ersten Anruf anpreisen, sondern mussten erst fragen, wie der Ladenbesitzer seine Rechnungen verwaltete und den Überblick über sein Inventar behielt. Über die Kasse liesse sich auch beim zweiten Anruf reden.

Die erfolglosesten Verkäufer waren laut Patterson diejenigen die annahmen, sie hätten dem Kunden nichts Vernünftiges anzubieten oder solche die glaubten, sie müssten sich ganz auf ihre Persönlichkeit verlassen, um ein Geschäft abzuschliessen.

Patterson war fanatisch und autokratisch, sein „Hire and Fire“ war gefürchtet. Aber sein Verkaufsmanagement-Ansatz war sehr einflussreich. Eine bemerkenswerte Zahl von Ex-NCR-Mitarbeitern stieg in anderen Unternehmen zu Top-Führungskräften auf, etwa Charles F. Kettering von General Motors und Thomas Watson Senior, der Gründer von IBM. Es ist bekannt, dass Watson vieles übernahm, das er bei NCR gelernt hatte.

Seit John Pattersons Lebzeiten (er starb 1922) hat sich – wie könnte es auch anders sein – viel verändert. Doch Führungskräfte, die andere begeistern können, sind für ein Verkaufsteam heute ebenso entscheidend wie damals. Wenn der Aussendienst den Eindruck hat, sein Produkt sei nur schwer von dem des Wettbewerbs zu unterscheiden oder die Verkaufsaussage sei unklar, nützen alle Motivations-Methoden nichts.