Einzigartig oder Differenziert?

Für einen Verkäufer gibt es viele harte Tage, doch einer schlägt alle anderen um Längen. Es ist der Tag, an dem der Verkäufer aufwacht und sich sagt: „Ich verkaufe bloss Allerweltsprodukte, Commodities.“  Mit anderen Worten: Das Einzige, was Entscheider wirklich interessiert, ist der PREIS!

Betrachten wir gemeinsam einen Beschaffungsvorgang, zuerst aus Kunden- und dann aus Verkäufersicht. Wenn Kunden grössere Investitionen tätigen, stellen sie bevorzugt eine Entscheidungsmatrix zusammen. Das grundlegende Ziel besteht darin, anhand der Kriterien den besten Preis zu ermitteln. Für den Kunden ist das Thema Differenzierung ein Feind. Er will keine Unterschiede. Er will Gleichheit. Differenzierung führt zu Optionen, die den Entscheidungsprozess erschweren oder gar verunmöglichen, und das will der Kunde nicht.

Wenn wir auf der Anbieterseite des Tisches sitzen, ist unser grundlegendes Ziel die Differenzierung. Wir wollen den Kauf beeinflussen, indem wir kundenspezifische Werte kommunizieren. Damit passen wir nicht in die Matrix des Kunden. Gleichheit, besser gesagt Allerweltsprodukte, sind unsere Gegner. Wir wollen uns von der Konkurrenz abheben und den (höheren) Preis begründen, der sich für den Kunden rechnen wird.

Für Verkäufer liegt es nicht immer auf der Hand, entscheidungsrelevante Werte für ihre Produkte und Dienstleistungen zu finden. Diese Suche nach „der einen Differenz“ macht Verkäufer unglücklich, weil sie auf einer fehlerhaften Frage basiert. Sie fragen sich: Was macht uns einzigartig?“ Einzigartigkeit ist ein mächtiger Anspruch. Welche Unternehmen in ihrer Branche erfüllen diesen? Es sind sehr wenige. Kein Wunder, dass Verkäufer so frustriert sind. Sie suchen nach etwas, das für die meisten nicht existiert. Wenn Sie das Glück haben, ein patentiertes Produkt oder Dienstleistung zu verkaufen, haben Sie per Definition etwas Einzigartiges. Patente verfallen jedoch nach einiger Zeit und es kommen Generika auf den Markt. Zudem, nur weil ein Patent vorhanden ist, bedeutet das nicht, dass das dem Kunden einen signifikanten Wert bietet.

Den Führungsteams meiner Kunden stelle ich gerne folgende Frage: „Was macht ihr Unternehmen einzigartig?“ Meist warte ich vergebens auf eine Antwort. Die Schuld liegt aber nicht bei ihnen, sondern bei mir. Ich habe die falsche Frage gestellt. Ich hätte fragen sollen: „Was unterscheidet ihr Unternehmen vom Wettbewerb?“

Vielleicht sind Sie der Auffassung, dass „einzigartig“ und „differenziert, anders“ dasselbe bedeuten. Das Wort „einzigartig“ impliziert, dass ihr Unternehmen das Einzige auf der Welt ist, welches eine bestimmte Qualität oder ein bestimmtes Produktattribut besitzt. Differenziert hingegen bezeichnet einen Vorteil gegenüber einer Problemlösung eines anderen Anbieters. Einzigartigkeit ist keine Voraussetzung für eine effektive Strategie. Sie ist nicht erforderlich, um mehr Aufträge zu den gewünschten Preisen zu gewinnen. Ob einzigartig oder differenziert, beide müssen für den potenziellen Kunden von Nutzen sein, sonst sind sie wirkungslos.

Anstatt nach einem einzigartigen Aspekt zu suchen, der wahrscheinlich nicht gefunden wird, suchen Sie nach einer differenzierenden Geschichte. Es ist es eine Sache, eine überzeugende Differenzierungsgeschichte zu haben, aber eine andere, einem Entscheider zu helfen, den entscheidungsrelevanten Wert darin zu erkennen.

Für die, die eine solche Geschichte nicht entwickeln können, gibt es Plan B: Senken Sie Ihre Preise! Sie haben keine andere Wahl. Niemand wird mehr für ein Produkt bezahlen, welches im Vergleich zu den anderen als identisch wahrgenommen wird. Die gute Nachricht ist, dass ich noch kein Unternehmen beraten durfte, welches keine überzeugende Differenzierung entwickeln konnte, die sowohl berücksichtigte, WAS sie verkaufen, als auch WIE sie verkaufen!