Thema: Salespresso

Gute Verkäufer sind Gold wert!

In den meisten Branchen klagen Personalchefs, unabhängig von der Konjunkturlage, über die zu hohe Fluktuation in der Verkaufsmannschaft und die Schwierigkeit, Spitzenverkäufer aus den Bewerbern heraus zu filtern. Ich bin der Ansicht, dass sich viele Enttäuschungen vermeiden liessen, wenn man bei der Bewerberauswahl und Tests nicht immer wieder in die gleichen Fehler verfallen würde: Verwendung ungeeigneter, manipulierbarer Tests, die Interesse statt Eignung prüfen, Konformität höher bewerten als Kreativität und die darüber hinaus die Gesamtpersönlichkeit in etliche, beziehungslos neben einander stehende Charaktermerkmale zerlegen. Ein weiterer Fehler: Die Überbetonung der Erfahrung, denn die lässt sich durch Training ausbauen. Wichtiger wäre es, das Augenmerk auf zwei zentrale Eigenschaften zu richten, die ein Spitzenverkäufer von vorn herein besitzen muss, weil sie kaum erlernbar sind: Einfühlungsvermögen und Siegeswillen, den starken Drang, sich ständig zu behaupten und zu bestätigen. Ist dieser Mann gefunden, besitzt das Unternehmen eine Garantie für Verkaufserfolge.

Einleitung

Vor etlichen Jahrzehnten starteten amerikanische Versicherungsgesellschaften ein breit angelegtes Programm, um dem Problem der kostspieligen, verschwenderischen Fluktuation von Versicherungsagenten entgegenzutreten. Nach damaligen Schätzungen belief sich die Quote der Ausscheidenden im ersten Jahr nach der Einstellung auf über 50 Prozent, innerhalb der ersten drei Jahre betrug sie sogar beinahe 80 Prozent. Nach jahrzehntelanger Forschung und nachdem etliche Millionen Dollar ausgegeben worden waren, blieben die Ergebnisse unverändert: Im ersten Jahr nach der Einstellung schieden immer noch 50 Prozent der Versicherungsvertreter aus, in den ersten drei Jahren rund 80 Prozent.

Wie hoch sind die Kosten dieser Personalfluktuation? Eine solche ist beinahe unmöglich, wenn man sich folgende Fakten vor Augen führt:

  • Die beträchtlichen Summen, die neue Verkäufer in Form von Gehaltszahlungen, Provisionen, Spesenabrechnungen und so weiter erhalten, und die unwiederbringlich verschwendet sind, wenn die Verkäufer, die diese Kosten verursachen, nicht verkaufen können.
  • Der ins Unermessliche steigende Aufwand an Zeit, Geld und Energie, den Unternehmen auf die Einstellung, Auswahl, Schulung, Beaufsichtigung und Kontrolle von Mitarbeitern verwenden, denen es von ihrer Natur her eben nicht gegeben ist, als Verkäufer Erfolg zu haben.
  • Die enormen Verluste, die durch entgangene Aufträge, abgesprungene Kunden, geschmälertes Renommee, schlechte Moral, verdorbene Verkaufsgebiete und ähnliche Widrigkeiten entstehen.

Wie sieht die heutige Situation in der Schweiz aus und wodurch wird diese kostspielige Ineffizienz verursacht? Vor allem wohl durch eins: In den Unternehmen hat man bisher nicht gelernt zu erkennen, was den einen Menschen zu einem guten Verkäufer macht, den anderen hingegen nicht. Ich bin der Meinung, dass ein beträchtlicher Prozentsatz derjenigen, die den Beruf des Verkäufers ausüben, überhaupt nicht verkaufen kann! Wenn wir den Wirkungsgrad unseres verkäuferischen Einsatzes maximieren und die erschreckende Verschwendung an Geld und Personal, die heute offenkundig ist, minimieren wollen, ist eine konstruktive Analyse darüber erforderlich, was Verkaufen eigentlich ist und wie die Verkaufseffizienz gesteigert werden kann.

Zwei Grundvoraussetzungen

Ich gehe auf Grund meiner Erfahrungen in den letzten 14 Jahren davon aus, dass ein guter Verkäufer zumindest über zwei grundsätzliche Eigenarten: Einfühlungsvermögen und Siegeswillen.

Einfühlungsvermögen

Einfühlungsvermögen, die zentrale Fähigkeit, selbst so empfinden zu können, wie der andere fühlt, muss in hohem Masse vorhanden sein, um ihm ein Produkt oder eine Dienstleistung verkaufen zu können. Einfühlungsvermögen zu besitzen, heisst aber nicht notwendigerweise, mitfühlend zu sein. Man muss die Gefühle des anderen nicht unbedingt billigen oder mit ihnen übereinstimmen. Aber ohne diese unbezahlbare und unersetzbare Fähigkeit, die Gefühle des anderen durch ein hochsensibles Einfühlungsvermögen zu erkennen und zu begreifen, kann ein Verkäufer eben nichts verkaufen. Der Verkäufer mit gutem Einfühlungsvermögen hat ein Gespür für die Reaktionen des Kunden und ist in der Lage, sich darauf einzustellen. Er ist nicht einfach durch ein schon vorbereitetes Verkaufsgespräch auf einen bestimmten Kurs fixiert, sondern vermag sich entsprechend den Interaktionen zwischen dem Kunden und ihm selbst anzupassen. Weil er ahnt, was der Kunde fühlt, kann dieser Verkäufer seine Gangart wechseln, einen Teil des bereits zurückgelegten Weges mehrmals gehen und all die kreativen Varianten anbringen, die erforderlich sein können, um den Auftrag zu erhalten.

Siegeswillen

Die zweite grundsätzliche Charaktereigenschaft, über die ein guter Verkäufer verfügen muss, ist ein besonders stark ausgeprägter Drang zur Selbstbestätigung, der Wille zu siegen, der ihn nicht nur wegen der Aussicht, mehr Geld zu verdienen, sondern aus einem persönlichen Bedürfnis heraus dazu treibt, Abschlüsse zu tätigen. Ein solcher Verkäufer muss einfach verkaufen, er braucht Abschlüsse für seine Selbstbestätigung; der Kunde stellt für ihn eine Gelegenheit dar, die ihm dabei hilft, sein Ego zu befriedigen. Für den Spitzenverkäufer ist ein Abschluss dasselbe wie ein Sieg – ein wichtiger Stein in dem Ego-Gebäude, das er sich aufbaut. Sieg und Erfolg verbessern sein Selbstbildnis auf dramatische Weise, Fehlschläge beschädigen es.

In der Natur der Verkaufstätigkeit liegt es, dass Fehlschläge häufiger sind als Erfolge. Und weil ein Fehlschlag Schatten auf das Bildnis, das er von sich gemacht hat, wirft, darf sein Ego nicht so schwach sein, dass der Makel des Versagens dieses Selbstbildnis zu lange verdunkelt. Vielmehr muss ein Fehlschlag zu einem Auslöser werden, zu einem Motivator für vermehrte Anstrengung, die wieder Erfolg bringt und ihn in die Lage versetzt, sein Ego weiter zu steigern, so wie er es wünscht. Er muss eine subtile Balance finden, zwischen einem exakt so geschwächten Ego, dass ein starkes inneres Bedürfnis entsteht, es wieder aufzubauen (Verkäufe zu tätigen), und einem ausreichend starken Ego, das durch einen Fehlschlag nicht zerstört, sondern motiviert wird.

Mit einem intensiven Drang zu Selbstbestätigung und Siegeswillen gekoppelt, versetzt das Einfühlungsvermögen eines Verkäufers diesen in die Lage, sein Ziel wirksam anzusteuern und zum Abschluss zu kommen. Er besitzt Eigenmotorik, ist von dem Willen beseelt, den Verkauf zu tätigen, und sein Einfühlungsvermögen gibt ihm genau das Werkzeug in die Hand, das er braucht, um zum Erfolg zu kommen.

Synergetische Wirkungen

Ich werde die Relation zwischen Einfühlungsvermögen und Sieges- und Erfolgswillen im Verkauf als getrennte Persönlichkeitsmerkmale behandeln. Tatsächlich liegen beide Wesensmerkmale auch auf verschiedenen Ebenen, denn ein Mensch kann über sehr viel Einfühlungsvermögen verfügen und gleichzeitig einen Siegeswillen in sich spüren, der alle möglichen Ausprägungen von extrem stark bis extrem schwach aufweisen kann. Das gilt ebenso für einen Menschen mit mangelhaftem Einfühlungsvermögen: Auch sein Siegeswillen kann beliebig stark ausgeprägt sein. Aber als Determinanten des Verkaufstalents stehen beide Charaktereigenschaften nicht nur in einer engen Wechselbeziehung zueinander, sondern bestärken und ergänzen sich gegenseitig.

Ein Mensch mit stark ausgeprägtem Siegeswillen ist auch maximal motiviert, sein Einfühlungsvermögen restlos einzusetzen. Weil er erfolgreich verkaufen muss, um sein inneres Ich zu befriedigen, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass ein Mensch mit hohem Siegeswillen sein Einfühlungsvermögen in Mitgefühl übergehen lässt. Weil sein Ego den Sieg will, wird er mit grösster Wahrscheinlichkeit eben nicht zum Gesinnungsgenossen des Kunden; vielmehr spornt ihn sein Erfolgsbedürfnis an, seine Kenntnis des Kunden voll auszunutzen, um zum Abschluss zu kommen.

Demgegenüber wird ein Verkäufer, der keinen oder nur wenig Drang in sich verspürt, sein eigenes Ich zu bestätigen, sein Einfühlungsvermögen kaum in Überzeugungskunst ummünzen. Er versteht Menschen und mag theoretisch das zum Abschluss führende Verkaufsgespräch perfektioniert haben, aber sein Verständnis für den anderen wird sich leicht in Sympathie verwandeln. Wenn er den Sieg innerlich nicht braucht, könnte es gerade die genaue Kenntnis der realen Bedürfnisse seines potenziellen Kunden sein, die ihm sagt, dass der Kunde eigentlich besser nicht kaufen sollte. Weil ein so veranlagter Verkäufer den

Abschluss von seinem Inneren her nicht braucht, wird er in dieser Gefühlslage den Kunden vielleicht nicht zum Kauf überreden. Mithin stehen wir vor einer dynamischen Relation zwischen Einfühlungsvermögen und Siegeswillen. Erforderlich ist eine Kombination beider Eigenschaften, die sich gegenseitig ergänzen und bestärken müssen, wobei jede einzelne dazu beiträgt, dass die jeweils andere voll zur Geltung kommen kann. Eben diese Kh1mbination ist es, die einen erfolgreichen Verkäufer ausmacht!

Ausgewogenheit

Es bedarf schon eines ganz besonderen, ausgewogenen Egos, um einerseits auf den erfolgreichen Abschluss erpicht zu sein, sich andererseits dem Kunden aber auch so weit zu nähern, dass das Talent, die Reaktionen und Bedürfnisse des Kunden mit Einfühlungsvermögen zu sehen und zu verstehen, voll durchschlägt und zur Geltung kommt.

Zwischen den Charaktermerkmalen Einfühlungsvermögen (im Folgenden je nach Ausprägung mit E oder e bezeichnet) und Siegeswillen (S, s) gibt es eine Reihe möglicher Permutationen. Ein Mensch kann über grosses Einfühlungsvermögen verfügen und gleichzeitig einen hochgradig entwickelten Siegeswillen haben (E/S), beide Merkmale können schwach entwickelt sein (e/s), es kommen aber auch Kombinationen dazwischen vor (E/s und e/S).

E/S: Ein Verkäufer, dessen Einfühlungsvermögen und innerlicher Erfolgsdrang beide hochgradig entwickelt sind, wird sich an der Spitze oder im Spitzenfeld der Verkaufsmannschaft bewegen.

E/s: Ein Verkäufer mit sehr gutem Einfühlungsvermögen, aber zu schwach ausgeprägtem Erfolgswillen wird zwar rundherum ein feiner Mensch sein, Verkaufsgespräche aber häufig ohne Abschluss beenden. Er ist der typische „nette Kerl”. Jeder mag ihn, und alle äusserlichen Faktoren scheinen darauf hinzudeuten, dass er sich zu einem der Besten in der Verkaufsmannschaft entwickeln sollte. Aber aus irgendeinem Grunde schafft er es nicht. Seine potenziellen Kunden und Gesprächspartner mögen ihn, kaufen aber letztlich doch bei der Konkurrenz. Vielfach wird er eingestellt, weil er über so ausgezeichnete persönliche Qualitäten verfügt. Dennoch fehlt es ihm an der Kraft, ein Verkaufsgespräch erfolgreich abzuschliessen. Er kommt gut mit dem Kunden zurecht, versteht ihn und bringt ihn nahe an den Abschluss heran; innerlich ist er aber nicht „hungrig” genug, den Kunden zum letzten Schritt zu bewegen, der den Abschluss bringt. Es ist dieses letzte Element des Verkaufens – der Abschluss – das mit Einfühlungsvermögen allein nicht zuwege gebracht werden kann und wo das Charaktermerkmal Siegeswillen zum unabdingbaren Essential wird.

e/S: Ein Verkäufer mit stark ausgeprägtem Ego-Drive und zu geringem Einfühlungsvermögen wird wie ein Bulldozer vorgehen und einige Verkäufe tätigen, ihm werden aber viele Abschlussmöglichkeiten verloren gehen. Wegen seines mangelnden Menschenverständnisses bringt er seinem Arbeitgeber letztlich Schaden.

e/s: Ein Verkäufer, der weder über grosses Einfühlungsvermögen noch über den innerlichen Drang zur Selbstbestätigung verfügt, sollte überhaupt nicht als Verkäufer tätig sein, obwohl viele der heutigen Verkäufer genau in diese Kategorie fallen! Ein Arbeitgeber könnte sich sehr viel Ärger ersparen, wenn es ihm möglich wäre, diese Charakterzusammensetzung im Voraus zu erkennen, noch ehe viel Mühe darauf verwendet wird, jemanden einzustellen, zu schulen und an die Hand zu nehmen, der die unerlässlichen dynamischen Kräfte, die im Verkauf zum Erfolg führen, einfach nicht mitbringt.

Erfahrung schützt nicht vor Irrtümern

Viele Verkaufsverantwortliche glauben, dass die Art, wie in ihrem Industriezweig (ja selbst in ihrem eigenen Unternehmen) verkauft wird, etwas ganz Spezielles und Einzigartiges sei. Bis zu einem gewissen Grad ist diese Annahme auch richtig. Es steht ausser Frage, dass ein Verkäufer für komplexe IT-Lösungen einer anderen Schulung bedarf und einen anderen Ausbildungshintergrund haben muss als beispielsweise ein Automobilverkäufer. Diese Unterschiede hinsichtlich der Anforderungen liegen auf der Hand; ob ein Bewerber diesen speziellen Qualifikationen für einen ganz bestimmten Job entspricht, lässt sich aus seinem Lebenslauf leicht ermitteln oder ist auf andere Weise ohne weiteres erkennbar. Was jedoch nicht ohne weiteres erkennbar ist, sind die bereits erläuterten fundamentalen Kräfte der Verkaufsdynamik, die einen Menschen erst in die Lage versetzen, mit Erfolg zu verkaufen, wobei es kaum einen Unterschied macht, was verkauft wird.

Meine Erfahrungen habe ich bei Verkäufern für materielle und immaterielle Güter gesammelt, bei teuren Industrie- und billigen Konsumgütern. In allen Fällen bleiben die Antriebskräfte für den Erfolg praktisch unverändert gültig. Verkaufstalent ist etwas Fundamentales – fundamentaler als das verkaufte Produkt. Lange bevor er Produktkenntnis erwirbt, entwickelt der später erfolgreiche Verkäufer die für gutes Verkaufen unverzichtbaren menschlichen Qualitäten, meist schon in seiner Kindheit und als Heranwachsender. Wenn das Schwergewicht also auf Erfahrung gelegt wird und Erfahrung mehr zählt als die Essentials Einfühlungsvermögen und Siegeswillen, dann kann das Ergebnis letztlich nur etwas sein, das man mit „Inzucht zur Mittelmässigkeit” umschreiben könnte.

Die Funktion des Trainings

Der Handwerker, der kaufmännische Angestellte oder der umgeschulte Textilarbeiter kann nicht von heute auf morgen Versicherungen, Elektronische Messgeräte oder Automobile verkaufen, egal wie viel Verkaufstalent er auch immer mitbringen mag. Jeder muss geschult werden, ohne Training kommt keiner aus. Die Unternehmen haben für die Entwicklung wirkungsvoller Schulungsprogramme viel Geld ausgegeben. Vorausgesetzt sie finden einen Mann, der über das erforderliche Potenzial verfügt, können und werden Trainingsprogramme dieses Potenzial zur Entfaltung bringen und einen erstklassigen Verkäufer aus ihm machen. Ohne fachlich richtiges Training ist auch ein noch so talentierter Verkäufer stark benachteiligt.

Dennoch ergibt sich immer wieder dasselbe Bild: Wie oft haben Mitarbeiter lange und teure Schulungsprogramme durchlaufen, nur um an der Verkaufsfront doch völlig zu versagen? Wenn es dazu kommt, sucht man die Schuld beim Trainer, vielleicht auch beim Schulungsprogramm selbst. Meist ist aber weder der Trainer noch das Schulungsprogramm schuld, sondern vielmehr die Tatsache, dass man sie vor die unlösbare Aufgabe stellte, aus einem groben Kiesel einen geschliffenen Diamanten zu machen. Auch der geschickteste Edelsteinschleifer kann, wenn man ihm ein Stück Kohle gibt, bestenfalls eine hochglanzpolierte Kohle daraus machen – aus einem noch so groben Rohdiamanten wird er in der Tat einen wertvollen Edelstein schleifen können.

Welche Rolle dem Training zukommt, ist klar: Training ist lebenswichtig. Im heutigen, von intensivem Wettbewerb gekennzeichneten Markt ist es unverzichtbar, das Potenzial jedes Mitarbeiters maximal zu entwickeln. Effizientes Training, das sich der wirkungsvollsten Methoden bedient, ist hierfür unerlässlich. Aber Training kann nur Erfolg haben, wenn erfolgreich selektiert wurde. Gute Rohlinge müssen erst zur Verfügung stehen, ehe die Schulung „geschliffene Edelsteine” daraus machen kann. Ebenso wie sich nur wenige Hersteller damit einverstanden erklären würden, ihre Erzeugnisse aufgrund von groben Grössen- und Gewichtsschätzungen herstellen zu lassen und stattdessen streng wissenschaftliche Kontrollen der massgeblichen Kriterien verlangen würden, so muss auch die Personalauslese für den Verkauf exakt erfolgen.

Für den Erfolg eines Unternehmens ist die Rolle des Verkäufers von so lebenswichtiger Bedeutung, dass ich immer wieder verblüfft bin, wenn ich sehe, wie wenig Sorgfalt die Unternehmen auf die Auswahl dieses so wichtigen „Rohmaterials” verwenden. Um heute auf dem Markt wirkungsvoll verkaufen zu können, muss ein Verkäufer mit Einfühlungsvermögen und Siegeswillen operieren. Das trifft auf Auslandsmärkten in vermehrtem Masse zu, weil dort kulturelle Schranken überwunden werden müssen. Effiziente Verkäufer sind der Schlüssel zum erfolgreichen Vertrieb, und die sachgemässe Rekrutierung ist der Schlüssel dazu, qualifizierte Verkäufer zu finden, einzusetzen und von ihrer Arbeit zu profitieren.

Mehr Mut zu neuen Kunden!

Die Akquisition in ihrer gesamten Bandbreite bekommt in den nächsten Jahren eine sehr hohe Bedeutung. Es geht vor allem um die Sicherung der bestehenden Marktposition und, wo möglich, um ihren Ausbau. Gute Akquisitionsleistung ist eine Frage der inneren Haltung. Tritt der Verkäufer offensiv gegenüber potenziellen Interessenten auf, oder verhält er sich defensiv und wartet weiterhin auf seine Kunden? Wie gross ist die Bereitschaft, neben Techniken und Strategien auch die eigenen Anteile im gesamten Akquisitionsprozess zu beleuchten und Denk- und Verhaltensänderungen zuzulassen? Wie gross muss in manchen Unternehmen der Leidensdruck noch werden, bevor systematische Aktivität von Verkaufsmitarbeitern und auch Führungskräften gezeigt wird? Akquisition bedeutet Neukundengewinnung – der erste Kontakt zu einem potenziellen Interessenten. Da sich viele Mitarbeiter scheuen, diese Aufgabe systematisch durchzuführen, werden in den Unternehmen defensive und kostspielige Wege beschritten, um die Kunden zu animieren, selbst Kontakt aufzunehmen!

Akquisition – eine ungeliebte Aufgabe

Akquisition ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, und eine, die mit Ängsten, Fantasien und Widerständen besetzt ist. Aus meiner langjährigen Erfahrung auf diesem Gebiet weiss ich, dass nur sehr wenige Verkäufer diesen Job wirklich gerne machen und sich voll damit identifizieren. Es kostet sie viel Mühe und Überwindung, bei Fremden anzurufen und sie spontan für etwas zu motivieren. Viele Verkäufer sind Meister im bewussten und unbewussten Verschieben dieser als unangenehm empfundenen Situation. Sie bleiben passiv und hoffen, entgegen aller Erfahrung, dass vielleicht doch der Kunde von selbst zu ihnen kommt.

Dass die Akquisition in vielen Unternehmen ein Stiefkind des Verkaufs ist, hat eine Reihe von Gründen. Häufig betreiben Verkäufer die Akquisition eher „nebenbei“ und sind vorwiegend mit anderen Tätigkeiten beschäftigt. Oft erhalten sie von Vorgesetzten und innerhalb des Unternehmens wenig Unterstützung. Vor allem in der schwierigen Anfangsphase, bis Routine gesammelt und ein Netzwerk aufgebaut ist, geben viele Verkäufer auf oder sind froh, sich mit anderem ablenken zu können. Dazu kommt, dass die wenigsten eine fundierte Ausbildung und Begleitung erhalten, die auf die speziellen Anforderungen der Akquisition gezielt eingehen.

Akquisitionstechniken reichen nicht aus

Im heutigen Verdrängungswettbewerb sind alle verkaufsorientierten Unternehmen darauf angewiesen, dass ihre Verkäufer aktiv und systematisch Kontakt zu neuen oder bestehenden Kunden aufnehmen. Und damit sind sie auch darauf angewiesen, dass ihre Verkäufer über die dazu nötigen fachlichen, methodischen und vor allem sozialen Kompetenzen verfügen. Die kann man erwerben. Die Frage ist nur: Welche Kompetenzen sind wirklich wichtig?

Eine Mehrzahl der Seminare und Bücher über Verkauf handeln die Akquisition, wenn überhaupt, als ein Teil des gesamten Verkaufsprozesses ab. Akquisition ist aber nicht gleichbedeutend mit Verkauf! Ein guter Verkäufer ist noch lange kein guter Akquisiteur. Die Gewinnung neuer Kunden beziehungsweise die Aktivierung bestehender Kunden ist eine ganz andere und völlig neue Herausforderung und bereitet selbst erfahrenen Verkäufern die grössten Probleme.

So werden zur Abhilfe überwiegend Techniken und Strategien angeboten, mit deren Hilfe Kommunikation und Verhandlungsführung geschult werden kann. Im Coaching mache ich oft die Erfahrung, dass mit Akquisition beschäftigte Mitarbeiter diese Techniken logisch und völlig richtig wiedergeben können – und sie dennoch in der Praxis nicht umsetzen. Denn in der Stresssituation der Akquisition fallen sie in alte Muster zurück. Hinderliche innere Glaubenssätze bewirken, dass die erlernte Technik „blutleer“ eingesetzt wird – ohne dass der Akquisiteur wirklich dahinter steht. Das merkt der Gesprächspartner natürlich, und der ganze Auftritt wirkt „erlernt“ und wenig überzeugend.

Was macht erfolgreiche Akquisition aus?

Unter Akquisition verstehe ich die aktive und authentische Kontaktaufnahme zu einem potenziellen Kunden, um diesen für sich, für sein Unternehmen sowie seine Leistung zu interessieren und zu gewinnen. Dabei sind Techniken und Strategien hilfreich, aber nicht die entscheidenden Faktoren. Wesentlich für den Erfolg in der Akquisition ist die Persönlichkeit des Verkäufers:

  • Wirkt er überzeugend, weil er selbstüberzeugt ist von dem, was er sagt und anbietet?
  • Identifiziert er sich mit seiner Rolle als Akquisiteur und spürt der Gesprächspartner diese selbstbewusste und professionelle Haltung?
  • Ist er aktiv und geht voller Selbstvertrauen von sich aus auf potenzielle Kunden zu?
  • Gelingt es ihm, rasch eine gute Beziehung zu Menschen aufzubauen?
  • Hat er auch in Stresssituationen Zugriff auf sein Potenzial?

Wir befragten im Frühjahr 2002 zahlreiche Geschäftsführer, Marketing- und Verkaufsleiter aus grösseren und mittleren Unternehmen. Wir wollten wissen, warum ihrer Ansicht nach Akquisition so wenig (oder gar nicht) betrieben wird, beziehungsweise oft erfolglos ist. Die Antworten decken sich mit unserer langjährigen Erfahrung im Akquisitionstraining und -coaching. Die so genannten „weichen“ Faktoren sind ausschlaggebend für den Erfolg! Akquisition scheitert daran, dass Verkäufer mit ihren inneren Befürchtungen und Ängsten – ihren „emotionalen Viren“ – nicht umgehen können, von sich und ihrer Rolle nicht überzeugt sind und Akquisition lieber vermeiden. Diese „weichen“ Faktoren zu entwickeln und die Persönlichkeit des Verkäufers zu stärken, ist ausschlaggebend für den Erfolg! Nur so hat er auch unter Stress Zugriff auf Techniken und kann sie überzeugend anwenden.

Sie können diese Situation mit der von „Trainingsweltmeistern“ im Sport vergleichen. Manche Sportler bringen im Training Topleistungen – aber im Wettkampf versagen sie völlig. Wenn es drauf ankommt, sind sie nicht in der Lage, an ihre herausragenden Leistungen anzuknüpfen. Sie sind nervös, der Gegner jagt ihnen zu viel Respekt ein, die Erwartungshaltungen von aussen legen sich als zentnerschwere Last auf ihre Schultern. Im inneren Dialog hadern sie während des Wettkampfs mit sich und sind nicht wirklich bei der Sache – kein Wunder, dass sie nicht die gleichen Ergebnisse erzielen wie im Training, wenn sie locker und konzentriert dabei sind.

Fast alle Befragten waren sich darüber einig, dass neben der Stärkung der Führungskräfte im Umgang mit passiven Mitarbeitern, vor allem spezielle Weiterbildungsprojekte für dieses höchst sensible und mit vielen Ängsten besetzte Thema erforderlich sind. Das heisst, nicht nur die Vermittlung von Akquisitionsstrategien und speziellen Kommunikationstechniken, sondern vor allem eine individuelle Entwicklung des persönlichen Auftritts und eines zur Persönlichkeit passenden Akquisitionsstils. Unsere Erfahrungen mit Unternehmen, die diesen ganzheitlichen Weg gehen, zeigen, dass sich diese Vorgehensweise in sehr guten Ergebnissen niederschlägt, sowohl wirtschaftlich als auch in der persönlichen Entwicklung des Einzelnen.